Floskel des Monats

liegt auf Eis

10.05.2019

Eigentlich ein schönes Sprachbild, das vermitteln soll: Hier wird etwas aufgeschoben, hier ruht etwas in einer Tiefkühltruhe. Das Eis als Sinnbild für das Erstarrte, das Regungslose, ja, auch als Bild für das Eingefrorene, das nach Belieben und jederzeit wieder aufgetaut werden kann.

Wir sollten hier für die Permafrostfloskel nicht nur eine Lanze, sondern gleich das von Kühen befreite Eis brechen! Denn wer aufs Glatteis geführt wird, bekommt nicht nur kalte Füße, sondern begibt sich auch schnell auf dünnes Eis – und mit der Kuh kann man dann Schlitten fahren. Aber was soll der Schnee von gestern? Der Winter ist vorbei. Wir haben Frühling, und der Sommer steht schon vor der Tür. Sie sollten also beim Schreiben von Texten immer einen kühlen Kopf bewahren, sonst erwischt es Sie eiskalt, und Ihr Honorar oder gleich Ihr gesamtes Bankkonto wird eingefroren. Kurz gesagt: Sie sind kaltgestellt!

Wer diese Kolumne kennt, weiß, dass nun das große Aber kommt: Denn gekühlt hält sich zwar vieles länger, wird aber dadurch nicht unbedingt besser. Manch eine Floskel bekommt sogar Gefrierbrand, wenn sie überstrapaziert ist. So verhält es sich leider auch mit liegt auf Eis – besonders dann, wenn schiefe Sprachbilder entstehen. Das „Projekt Auerbräu-Wiese liegt auf Eis“ schrieb eine Zeitung aus Bayern, doch die nächstgelegene Wetterstation verzeichnete deutliche Plusgrade. Hoch im Norden titelte eine Zeitung: „Sauberes Neumünster liegt auf Eis“ – das ist mal eine nachhaltige Lösung. Und eine Abendzeitung will bemerkt haben, dass die Band von Jeanette Biedermann aufs Eis gelegt wurde.

Eine Zeitung stellte im April klar, dass die „europäische Digitalsteuer bis auf weiteres auf Eis liegt“, eine andere berichtete, dass der „Bau der Feuerwache Süd“ dorthin verschoben wurde. Wieder im Süden hieß es: „Der Friedensprozess liegt ja so oder so auf Eis“. Aber nicht nur der Frieden, auch der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes liegt auf Eis. Dabei wäre es ein Leichtes, auch mal floskelfrei zu sagen, dass es mit Verträgen, Plänen, Geschäften, Projekten erst mal nicht weitergeht, weil Verhandlungen stagnieren oder unterbrochen wurden und man auf eine Fortsetzung wartet. Legen wir doch einfach mal diese Floskel auf – naja – Sie wissen schon, wohin.

Für den journalist analysiert das sprach- und medienkritische Webprojekt Floskelwolke.de von Sebastian Pertsch und Udo Stiehl in jeder Ausgabe eine Floskel oder Phrase, mit der Journalisten im Monat zuvor besonders häufig danebenlagen.
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