Auf die Fresse. Aber mit Fakten

Für Smyrek gehören Entertainment undErkenntnisgewinn zusammen. In ihren Fragen steckt viel Recherche. Foto: Sebastian Wolf

Marie Lina Smyrek erreicht die Gen Z mit radikalem Infotainment mehr als jede Nachrichtenmagazin. Trotzdem sieht sie sich nicht als Journalistin. Im journalist-Interview spricht sie über den Wert von peinlicher Stille in Gesprächen und über die Frage, ob Social-Media-Formate wie ihres den klassischen Journalismus irgendwann ablösen.

Interview: Jan Freitag

21.07.2025

Smyreks Vorbilder sind Frauen wie Carolin Kebekus oder Laura Larsson. Weil sie kein Volontariat als Comedy-Autorin bekam, entwickelte sie einfach ihr eigenes Format – an der Schnittstelle zum Journalismus, im Hochkantformat und in doppelter Sprechgeschwindigkeit. Also passgenau für ihre Generation, die Gen Z.
 

journalist: Marie Lina Smyrek, tauschten wir die Rollen, und Sie interviewten mich – würde das Gespräch diplomatisch oder konfrontativ beginnen?

Marie Lina Smyrek: Kommt drauf an. Als Marie Lina würde ich eher diplomatisch beginnen. In meinem funk-Format smypathisch eher konfrontativ.

Ist Ihre Rolle da rein formatgebunden oder hängt sie auch vom Gegenüber ab?

Beides, und sie ist auch situationsabhängig. Natürlich gibt es im Interview menschliche Momente von mir. Die schneiden wir aber raus.

Ach...

Naja, als Mensch komme ich schon gern sympathisch rüber, als Interviewerin dieses Formates würde das viel Witz wegnehmen.

Sie steigen also konfrontativ in Interviews ein, ohne vorher erst eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen, wie man es auf der Journalismusschule lernt. Welchen publizistischen Mehrwert hat dieser Bruch der Gepflogenheiten?

Den Mehrwert der Überraschung. Wir haben die Sendung bewusst um den Bruch mit Gesprächskonventionen gebaut, um zu beobachten, wie Gäste reagieren, wenn sie improvisieren müssen. Besonders spannend wird es, wenn es Momente der Stille gibt.

Stille, die Endgegnerin jedes pfleglichen Gesprächs!

Es ist ja gerade der Reiz, zu zeigen, wie lustig menschliche Kommunikation sein kann, wenn sie nicht reibungslos funktioniert. Es gibt darin ständig Augenblicke der Überrumpelung, die Pausen oder sogar Sprachlosigkeit nach sich ziehen. Gerade Influencer, Youtuber oder Podcaster, die oft in meinem Format zu Gast sind, sind es gewohnt, permanent zu reden. Wenn sie die Stille nicht aushalten, wird es am lustigsten.

Ist das Angebot zu schweigen eine Chance, einfach mal länger nachzudenken, als bloß die eigene Schlagfertigkeit zu kultivieren?

Genau. Für beide Seiten. Manchen gelingt es, mein Herz zu gewinnen, indem sie über meine Fragen lachen und damit über sich selbst. Das zeugt von einer Stärke, die viele Kandidaten – gendern kann man sich hier sparen – nicht haben und sofort zurückschießen. Manchmal direkt gegen mich, über den Umweg der Ironie, und in jedem Fall ohne Selbstreflexion. Dann kann das Interview auch ungünstig für sie ausgehen.

Wobei das Ihren Kampfgeist vermutlich eher weckt als einschüchtert.

Grundsätzlich will ich niemandem etwas Böses. Ich lege es nicht darauf an, die Person das ganze Gespräch lang unter Druck zu setzen. Ich sehe das eher als Werkzeug auf dem Weg zu gehaltvollem Entertainment.

Und wenn Sie sich zwischen Entertainment oder Erkenntnisgewinn entscheiden müssten – was würden Sie nehmen?

Entertainment. Aber eigentlich finde ich, sie sind untrennbar voneinander. Unabhängig von den Antworten der Gäste steckt in unseren Fragen schon Erkenntnisgewinn, denn wir recherchieren gut. Dieses Zusammenspiel begleitet smypathisch von Anfang an.

Sie reden in diesem Interview zwar auch zügig, aber nicht halb so schnell wie im Wochenrückblick. Zählt zu Ihrer Rolle auch das irre Sprechtempo?

Bei TikTok kommt man besser schnell zum Punkt. Dazu zählt auch, mit der Stimme am Satzende hochstatt runterzugehen. Ich habe diese Art des Redens wie viele andere auf der Plattform komplett verinnerlicht.

Da kommt vermutlich kein Teleprompter mit.

Doch, den benutze ich mittlerweile regelmäßig. Ich brauche trotzdem extrem viele Anläufe, bis ich das so schnell runtersprechen kann. Zum Glück werde ich aber immer sicherer, je häufiger ich moderiere. Auch Skripte schreibe ich heute deutlich schneller.
 

„Im Privatleben bin ich journalistischen Inhalten komplett verfallen.“
 

Sind Sie eigentlich Journalistin?

Gute Frage. Zumal dieses Interview hier für den journalist ist. Gelernt habe ich den Beruf nie. Deshalb habe ich mich lange dagegen gewehrt, mich so zu nennen – vor allem aus Respekt vor ausgebildeten Journalist*innen. Als Quereinsteigerin fände ich das unfair. Sagen wir so: Ich leiste eine Art journalistischer Arbeit und orientiere mich an deren berufsethischen Standards. Aber der Hauptteil meiner Tätigkeit ist Komik.

Bezeichnen Sie sich dann als Comedian?

Schon eher.

Und Influencerin?

Nein, das nicht. Influencer verdienen ihren Lebensunterhalt damit, Werbung zu machen. Man bezeichnet mich oft als Content Creator oder Web-Video- Produzentin, früher auch als Youtuberin. Vielleicht passt Entertainerin am besten. Was ich richtig gern höre, ist übrigens Satirikerin, aber ganz so weit bin ich noch nicht.

Warum?

Satire, das ist ein ziemlich großer Begriff, der vor allem auf sehr einflussreiche Männer mit sehr streitlustigem Ego angewendet wird. Ich arbeite sowohl satirisch als auch journalistisch, aber ich habe doch immer noch eine Art respektvoller Distanz zu beiden Labels. Verorten Sie mich denn im Journalismus?

Sonst würden wir hier gerade nicht sitzen, um fürs gleichnamige Magazin über Ihre Arbeit zu sprechen.

Ich fühle mich heute zumindest wohler mit dem Begriff Journalistin als noch vor ein paar Jahren. Ich sehe, wie unterschiedlich sich journalistische Arbeit gerade im Hinblick auf soziale Medien ausdrücken kann. Und im Privatleben bin ich journalistischen Inhalten sowieso komplett verfallen.

„TV-Sendungen sind ernster geworden – das sieht man auch am ZDF Magazin Royale im Vergleich zur Vorgängersendung.“
 

Inwiefern?

Ich schaue seit bestimmt zehn Jahren geradezu radikal die tagesschau und später – schon, um mich darüber aufzuregen – viele unserer furchtbaren Talkshows. Ich habe Spiegel, Süddeutsche und Zeit abonniert und einen extrem hohen Konsum von klassischen Medien.

Und das, obwohl Sie digital native der Gen Z sind, die sich eher auf Messengern und sozialen Netzwerken informiert. Warum machen Sie keinen klassischen Journalismus, wenn sie ihn so gerne konsumieren?

Ich wollte eigentlich Comedy machen. Dann habe ich Absagen für Hospitanzen und Volontariate als Comedy-Autorin bekommen, war frustriert und habe beschlossen, es eben allein zu machen. Dabei habe ich mich immer entlang der Frage orientiert: Was würde ich denn selbst gern sehen?

Und die Antwort?

Lustige Videos, bei denen am Ende im besten Fall was hängenbleibt. Vorgetragen in der Sprache, die ich spreche, mit den Referenzen, bei denen ich nicht googeln muss, um einen Witz zu verstehen.

Kreieren Sie zuerst Content und schauen, wie die Zielgruppe reagiert, oder schauen Sie sich die Zielgruppe an und gestalten dementsprechend Inhalte?

Als erstes schaue ich darauf, was ich persönlich interessant genug für meine Wochenrückblicke und Interviews finde. Weil ich als Gesicht des öffentlich-rechtlichen Portals funk einen Auftrag zu erfüllen habe, behalte ich aber auch mein Publikum und dessen Ansprüche im Blick.

Nimmt die Redaktion darauf Einfluss?

Nee, nee, da hab‘ ich Glück und bekomme ein großes Maß an Vertrauen. Natürlich versucht mir die Redaktion – das ist Teil ihrer Aufgabe – inhaltliche Anregungen zu geben. Auch was mein Publikum betrifft. Mit 26 komme ich langsam in den Grenzbereich der funk-Zielgruppe, kann also in drei Jahren nicht mehr automatisch meine Vorlieben mit denen der Zuschauer*innen gleichsetzen. Da müssen mir vielleicht Mitarbeitende aus den Generationen nach mir helfen. Das ist der Lauf der Dinge.

Haben Sie Vorbilder oder Referenzgrößen?

Selbstverständlich. Als großer Fan des damaligen Neo Magazin Royale hat vieles, was ich heute mache, mit Jan Böhmermann zu tun. Ich musste allerdings lernen, dass es auch dazu gehört, sich von einstigen Vorbildern zu entfernen und irgendwann eigene Wege zu gehen. Mittlerweile hole ich viel Inspiration bei politischen Comedians aus den USA.

Also Late-Night-Hosts wie Jon Stewart oder Trevor Noah?

Ganz genau, aktuell liebe ich die Daily Show mit Jon Stewart oder Desi Lydic. Mein Co-Autor und ich schicken uns viele Ausschnitte hin und her und freuen uns, dass so vieles der Sendung online stattfindet und darin so viel Quatsch gemacht wird. TV-Sendungen in Deutschland sind ernster geworden, das sieht man auch am ZDF Magazin Royale im Vergleich zur Vorgängersendung.

Dessen letzte zwei Sendungen vor unserem Interview, in denen es um rechte Influencer und Queerfeindlichkeit ging, wirkten eher wie Aktivismus als Satire.

Aktivismus ist ein hartes Wort. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Prioritäten eher in Richtung Information verschoben haben. Ich persönlich finde das schade, kann aber gut damit leben, wenn durch eine Sendung Bewusstsein für Missstände entsteht oder sich etwas bewegt. Das macht die Sendung nicht schlechter, nur eben sehr journalistisch. Nichts gegen Journalismus…
 

„TV-Sendungen sind ernster geworden – das sieht man auch am ZDF Magazin Royale im Vergleich zur Vorgängersendung.“

 

Ist Entertainern wie Jan Böhmermann die aktuelle Zeit für drollige Comedy langsam zu ernst?

Ich glaube eher, dass eine extrem gute Redaktion hier sehr umfassende Recherchen betreibt, woraufhin der journalistische Inhalt den komödiantischen überlagert.

Wie ticken Sie selbst diesbezüglich – je härter die Zeiten, desto heiterer die Witze?

Schon ein bisschen. Mein Wochenrückblick hat sich  zwar von Popkultur mit einer Spur Gossip zum Politikformat entwickelt. Aber während es vor einem Jahr noch ernster war, habe ich mich bewusst dazu entschieden, wieder komödiantischer zu werden. Vermutlich ist das Coping: Den Witz in einer schlechten Nachricht zu suchen, hilft mir dabei, sie zu verarbeiten, ohne ihren Inhalt zu unterschlagen. Lachen hilft. Schreien auch.

Mit der Enttarnung des Youtubers Clownswelt  hat Jan Böhmermann dafür gesorgt, dass der rechte Influencer die Zahl seiner Abos nahezu verdoppeln konnte. War es richtig, das zu tun?

Mein erster Impuls war, dass der Aufwand im Hinblick auf das Ergebnis zu groß war. Ich verstehe die Message, dass niemand anonym Hetze verbreiten und sich dabei in Sicherheit wiegen sollte. Aber wenn es am Ende so viel Stress gibt und der Creator mit vielen neuen Followern aus der Sache rausgeht, stimmt die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht. Vielleicht hätte man lieber mehrere gleichzeitig enttarnen sollen, sodass sich nicht alles um Clownswelt dreht.

Kosten-Nutzen-Rechnung klingt eher betriebswirtschaftlich. Wie sieht es mit der berufsethischen Rechnung aus?

Berufsethisch finde ich die Sendung über Clownswelt nicht zu beanstanden.

Wo wäre die Grenze des Sag- und Machbaren überschritten?

Dafür kenne ich die juristischen Hintergründe solcher Enthüllungen nicht genug. Aber ich gehe davon aus, dass die ZDF-Redaktion und alle möglichen Justiziare die Sendung vermutlich doppelt und dreifach gecheckt haben.

Das Recht determiniert die Moral?

In diesem Fall ja.

Haben Sie eine Rechtsabteilung im Rücken, um die Moral justiziabel zu machen?

Es gibt im Sender Justiziare, die sich auch um uns kümmern. Aber nicht jede Recherche wird vorab durchleuchtet. Dafür arbeite ich nicht investigativ genug.

Aber konfrontativ genug, um eventuell Ärger mit Medienanwälten zu kriegen.

Ich bin mal gespannt, wann der Fall eintritt. Aber ich bin mir sicher, sollte es dazu kommen, stellt sich das ZDF bestimmt ähnlich schützend vor mich wie bei Jan Böhmermann. (lacht)

Da wären wir wieder bei Referenzgrößen. Mir fällt auf, das wir bisher vor allem über Männer gesprochen haben. Mangelt es an weiblichen Vorbildern?

Bei Formaten denke ich eher an die von Männern, das stimmt. Aber Frauen haben mich in jeder anderen Form inspiriert und meine Entwicklung direkt unterstützt. Zum Beispiel Carolin Kebekus, für deren Sendung ich anfangs als Autorin gearbeitet habe und mittlerweile auch im Ensemble vor der Kamera auftrete. Oder Comedy-Größen wie Anke Engelke und Martina Hill, die mich sehr früh beeinflusst haben und mir gezeigt haben: Du kannst das auch machen, wenn du willst. Auch Frauen aus der jüngeren Generation waren wichtige Einflüsse: Giulia Becker, Laura Larsson vom ersten weiblichen Comedy- Podcast Herrengedeck und natürlich Sophie Passmann.

Betrachten Sie sich mittlerweile selbst als Rolemodel?

Ich hoffe, es irgendwann zu sein. Aber mir reicht es auch, wenn ich meine junge, weibliche Community motivieren kann, Begeisterung an gesellschaftlichen Themen zu entwickeln.

Ist eine gesellschaftskritische Journalistin in Deutschland im Zweifel eine feministische Journalistin?

Für mich kann ich das bejahen. Bei mir geht es viel um innerdeutsche Politik und Kulturkämpfe – aus Sicht einer jungen Frau wie mir beinhaltet das oft automatisch feministische Diskurse. Allgemein spreche ich gerne über feministische Themen, aber das ist nicht mein Fokus und es gibt sehr viele Frauen, die sich besser auskennen.

Feministische Perspektiven werden gern als freudlos, verhärtet, ideologisch dargestellt. Muss frau aufpassen, diesem Klischee nicht zu entsprechen oder den Tiger im Gegenteil sogar reiten?

Soziale Kämpfe wirken nur deshalb freudlos, weil es echt keinen Spaß ist, gesellschaftliche Missstände zu beseitigen. Aus komödiantischer Perspektive würde ich mich über all jene lustig machen, die dafür den Feminismus verantwortlich machen und nicht die Verhältnisse, gegen die er sich richtet. Sollte das für einige zu hart rüberkommen, hat das mit der Überraschung darüber zu tun, dass jemand wie ich Härte zeigt.

Weil sie für viele äußerlich eher harmlos wirken?

Genau. Und weil wir im Kampf gegen das Patriarchat wie bei nahezu allen sozialen Kämpfen der Geschichte mit Gefühl oder Verständnis bisher noch nicht weit gekommen sind. Mein Motto ist: Auf die Fresse. Aber mit Fakten.
 

„In absehbarer Zeit wünsche ich mir mehr etablierte Politiker*innen in meiner Sendung.“

 

Auf die Fresse – mit Fakten – heißt auch, sich voll in den Shitstorm zu stellen, der nicht nur Feministinnen, sondern eigentlich alle Frauen im digitalen Diskurs umtost.

Richtige Shitstorms drohen mir vermutlich erst, wenn ich groß und relevant genug bin. Ich könnte darauf verzichten, verstehe allerdings den Reiz, die „gegnerische Seite“ erfolgreich zu provozieren. Jetzt gerade habe ich Stress in meinen Kommentaren, weil sich Carolin Kebekus im Gespräch mit mir dafür entschuldigen sollte, früher mal mit Oliver Pocher abgehangen zu haben. Die Flut an Hass von seiner Fanbase galt zunächst ihr. Aber weil es meine Sendung war, kriege ich davon gerade ein paar Spritzer ab.

Was macht das mit Ihnen?

Es fühlt sich vor allem gut an, dass unsere Message „Oliver Pocher ist peinlich“ da draußen ankommt, offenbar sogar bei den Richtigen. Aber wenn ich die direkte Zielperson der Hass-Attacken wäre, würde ich hier vermutlich nicht entspannt sitzen, sondern die ganze Zeit auf mein Handy gucken wollen.

Trotzdem werden Sie in den Kommentarfunktionen vermutlich schon tüchtig beleidigt.

Ja. Aber noch relativ wenig, weil ich mein Inkognito erst kürzlich gelüftet habe. Mit Gesicht, also als Frau vor der Kamera, bin ich deutlich angreifbarer und das merkt man in den Kommentaren. Ich lasse davon aber nicht so viel an mich ran, weil es der Sinn konfrontativer Formate ist, Abwehrreflexe von Leuten zu erzeugen, die fast naturgemäß persönlich werden. Die Hasskommentare werden zwar mehr und lauter. Ich weiß aber, dass sie von einer kleinen Zahl der immergleichen Leute kommt. Und ich bin auch nicht plötzlich in diese Öffentlichkeit geraten, sondern konnte mich drei Jahre lang stückweise daran gewöhnen. Das kann ich alles rational einordnen.

Triggert es Ihre Rauflust?

Das kann schon passieren, solange keine Gewaltfantasien bis zur Vergewaltigungs- oder Todesdrohung geäußert werden. Wenn mich jemand inhaltlich angreift, zum Beispiel für einen Beitrag zu Joanne K. Rowlings Transfeindlichkeit kritisiert, halte ich durchaus gegen und setze mich bewusst dem Stress anderer Transfeinde aus.

Vorhin sagten Sie, Sie wollen gern sympathisch gefunden werden. Von wem?

Am liebsten hätte ich, wenn mich alle sympathisch fänden. Aber ich weiß, dass es Menschen gibt, die mich und meine Inhalte verachten. Deshalb mache ich mir darüber möglichst wenig Gedanken. Die gelten in der Regel meinen Themen und Gästen.

Ich kenne viele Ihrer Gäste nicht. Liegt das daran, nicht zu ihrer Zielgruppe zu gehören, oder spielen bei der Auswahl große Namen allgemein keine Rolle?

Eher Ersteres. Wichtiger als allgemeine Bekanntheit ist, dass die Zuschauer*innen meiner Zielgruppe die Gäste kennen. Und dass sie genügend Angriffsfläche bieten. Ich muss als öffentlich-rechtliches Angebot auf Klickzahlen achten, das gehört dazu. Gleichzeitig hoffe ich, dass die Reichweite der Gäste mit wachsender Bekanntheit meiner Sendung irgendwann ein bisschen egaler wird und ich sie mehr danach

auswählen kann, wie interessant sie sind.

Wen wünschen Sie sich als Gast, der oder die beides mitbringt?

In absehbarer Zeit bitte mehr etablierte Politiker*innen. Zumal die ihrerseits ein wachsendes Interesse daran haben, in jungen, digitalen Formaten aufzutauchen. Im Juli ist es so weit, aber ich sage noch nicht, wer es ist.

Hat der Grimme-Preis für smypathisch im Jahr 2023 die Anziehungskraft Ihrer Formate diesbezüglich erhöht?

Geschadet hat er nicht, aber als großen Pull-Faktor würde ich ihn auch nicht bezeichnen. Der Grimme-Preis hat meine Eltern stolz gemacht, das war toll. Und er hat wohl auch mein Standing im Sender verbessert. Aber der jüngeren Crowd ist sowas ziemlich egal. Ich selbst bin ein großer Fan dieses Preises, aber er hat eher nur in der Medien-Bubble Bedeutung.

Dort also, wo Ihre Art des hochbeschleunigten Infotainments mitunter als Gegner wahrgenommen wird. Glauben Sie, es wird klassische Medien langfristig ganz ersetzen oder nur ergänzen?

Ersetzen auf keinen Fall. Das wäre fürchterlich, denn ich brauche den klassischen Journalismus für mich persönlich, aber auch, um überhaupt arbeiten zu können. Ohne den Gegenpol seiner Ernsthaftigkeit wäre mein komödiantischer Ansatz völlig haltlos. Zumal sich ein Großteil der Themen überhaupt nicht dazu eignet, Witze zu machen.

Themen wie der Ukraine- oder der Gaza-Krieg?

Zum Beispiel. Sich über Donald Trump lustig zu machen, ist einfach. Über seine vielen Opfer hingegen nicht. Ich hoffe, dass harte Nachrichten weiterhin das Wesen des Journalismus ausmachen. Damit wir uns an der Satire dazu möglichst lange erfreuen können.

Jan Freitag arbeitet als freier Journalist in Hamburg.
Sebastian Wolf ist Fotograf in Köln.