"Nicht jedes Programm muss jedem Zuschauer schmecken"

ZDF-Intendant Norbert Himmler: "Ich bin sicher, dass man viele Skeptiker noch erreichen kann." (Foto: Felix Schmitt)
Zu teuer, zu viel Unterhaltung, zu links. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Dauerbeschuss. Im journalist-Interview nimmt ZDF-Intendant Norbert Himmler Stellung und erklärt, wie die Zukunft des Senders aussehen wird. Interview: Jan Freitag, Fotos: Felix Schmitt
05.05.2025
Neulich saß ZDF-Intendant Norbert Himmler mit USA-Korrespondent Elmar Theveßen in der Kantine auf dem Mainzer Lerchenberg. Theveßen erzählte von den Arbeitsbedingungen unter der Trump-Regierung und Himmler wurde ganz anders zumute. Dort und in vielen Teilen der Welt steht die Pressefreiheit und damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck. Im journalist-Interview spricht Himmler über Angriffe von rechts, Diversitätsdebatten und Einsparforderungen.
journalist: Herr Himmler, wann treten Sie zurück?
Norbert Himmler: Warum sollte ich denn bitte zurücktreten?!
Arne Schönbohm hatte Sie Ende 2024 dazu aufgefordert. Er war Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, bis Jan Böhmermann 2022 im ZDF Magazin Royale über Vorwürfe gegen ihn berichtete – und Schönbohm abgesetzt wurde. Die haben sich nun aber als teilweise haltlos erwiesen und nun legt Schönbohm Ihnen der Rücktritt nahe.
Ich fürchte, es gehört zu meinem Amt dazu, öffentlich kritisiert zu werden.
Der Fall hat die Frage aufgeworfen, wie viel Verantwortung ein ZDF-Intendant für sein Personal und die Sendungen hat.
Die Frage ist legitim. Wir nehmen Kritik ernst, prüfen sie aber auch immer auf ihre Validität. Die Qualität dessen, was wir senden, kontrolliert im Übrigen auch der Fernsehrat. Also ja: Am Ende ist der Intendant gemeinsam mit der Geschäftsleitung für alle Programminhalte verantwortlich. Es gehört aber nicht zu meinem Job, jedes Manuskript oder Drehbuch zu lesen, bevor daraus ein Beitrag oder Film wird. Da gibt es auch eine Verantwortung der Redakteurinnen und Redakteure.
Da vertrauen Sie Ihrem Personal voll und ganz?
Große Unternehmen wie das ZDF funktionieren nur, wenn jeder seine Aufgaben beherrscht. In den Redaktionen ringen wir ständig darum, was gutes Fernsehen ist. Das unterschätzen viele. Aber glauben Sie mir: diese Frage ist nirgends schwerer zu beantworten als bei Satire.
Mit seinen Provokationen stellt Böhmermann Ihre internen Abläufe ständig auf die Probe. Sind die ZDF-Strukturen noch intakt oder haben sie schon Schaden genommen?
Ersteres natürlich. Dass unsere Inhalte nicht allen gefallen, steht außer Frage. Aber wenn wir jeder Beschwerde nachgeben, können wir den Sendebetrieb gleich einstellen. Keine Sorge: Wir haben einen inneren Kompass und klare Richtlinien, über die der Fernsehrat wacht.
Nach dem Schlagabtausch zur Bundestagswahl warfen Politiker und Medien dem ZDF vor, das Publikum falsch ausgewählt zu haben. Vor allem linke und grüne Positionen wurden beklatscht. Hat der Kompass da nicht funktioniert?
Die beste Qualitätssicherung verhindert nicht, dass auch Fehler passieren. Das war einer, den wir eingestanden haben. Wir haben Vorkehrungen getroffen, dass das nicht noch einmal passiert.
„Ich mache mir Sorgen um die öffentlich-rechtlichen Rundfunksysteme in Europa.“
Wenn Sie auf Fehler der ARD-Konkurrenz blicken, zum Beispiel auf die Affäre um den Grünen-Politiker Gelbhaar beim RBB, spüren Sie da eine gewisse Genugtuung?
Überhaupt nicht. Zunächst mal müssen wir definieren, was echte und was gemachte Skandale sind. Wir leben in einer Aufregungskultur. Nicht jede Sau, die durchs Dorf getrieben wird, ist ein Skandal. Da fällt unsere Gesellschaft oft auf konstruierte Debatten herein. Davon abgesehen mache ich mir Sorgen um die öffentlich-rechtlichen Rundfunksysteme in Europa.
Warum?
Populisten greifen alle demokratischen Institutionen an, also auch uns. Viele Menschen stellen den Journalismus und dessen öffentliche Finanzierung in Frage. Wir müssen genau unterscheiden, was sachliche und was ideologische Kritik ist. Für erstere haben wir Gremien. Und bei Angriffen, die das Ziel haben, das System zu zersetzen, muss das ZDF sagen: jetzt erst recht!
Hat die Tatsache, dass sich Systemkritik auf die ARD und ihre Rundfunkanstalten konzentriert, damit zu tun, dass sie föderalistisch organisiert ist und das ZDF zentralistisch?
Das föderale Prinzip der ARD birgt natürlich enorme Vorteile, aber eben auch ein paar Nachteile.
Zu den Vorteilen zählt, dass die ARD naturgemäß im Regionalen besser aufgestellt ist als das ZDF.
Die große Stärke der ARD besteht darin, das zu berichten, was vor Ort von Bedeutung ist. Unsere Aufgabe ist es dagegen, aus den Bundesländern das zu berichten, was national von Bedeutung ist. Diese Rollenteilung finde ich klug. Sie steht ja auch genau so in den Staatsverträgen. Trotzdem sind und bleiben wir regional verwurzelt. Mit unserem Standort Mainz und den Studios sind wir journalistisch und wirtschaftlich in jedem Bundesland gut aufgestellt. Wir müssen den Vergleich mit der privaten wie der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz nicht scheuen. Ich würde mich darüber freuen, wenn das mehr gewürdigt würde.
Welche Baustellen sehen Sie dennoch?
Die größte Herausforderung – noch vor Themen wie Digitalisierung oder Fake News – besteht darin, dass wir mehr in den Dialog mit den Zuschauerinnen und Zuschauern treten.
Früher war das ZDF der Sender und das Publikum der Empfänger von Informationen und Unterhaltung. Das gibt es immer noch. Darüber hinaus allerdings müssen wir Menschen über das, was wir zeigen und berichten, ins Gespräch bringen. Wir müssen geschützte Räume schaffen, in denen gesellschaftlicher Diskurs ohne Demagogie, Hass und Gewalt möglich ist. Der ZDF-Verwaltungsrat hat dazu ein wichtiges Gutachten vorgestellt, das die kommunikative Rolle des ZDF in einer digitalisierten Medienwelt beschreibt.
Diese Art Journalismus besteht bisher darin, dass bei Hart, aber fair drei TikTok- und zwei Instagram-Kommentare pro Thema vorgelesen werden.
Wir lösen uns davon, das Publikum nur in linearen Sendungen zu beteiligen. Wir etablieren neue Formate, vor allem für unsere Streamingplattform. Was jetzt schon hervorragend funktioniert ist 37°. Einmal in der Woche bringen wir im Anschluss an die Sendung tausende Menschen dazu, im Netz über das Gesehene zu diskutieren. Also nicht nur als Kommentarfunktion, sondern als Debattenforum, von Profis moderiert. Wir sind Teil eines internationalen Konsortiums öffentlich-rechtlicher Sender, das dafür die Technik programmiert.
Kommen Sie bei all diesen Herausforderungen mit den knapp 2,3 Milliarden Euro Rundfunkbeitrag aus?
Ja, damit kommen wir aus. Das ist schon sehr viel Geld. Aber setzen Sie das mal ins Verhältnis dazu, was beitragszahlende Haushalte für ZDF, ZDFneo, ZDFinfo, die Streamingplattform und all unsere Partnerprogramme am Tag zahlen: 15 Cent. Fragen Sie mal am Kiosk, was es dafür sonst noch gibt.
Ein Brötchen an der Backstation.
Genau, aber kein publizistisches Produkt und schon gar nicht so reichhaltig wie unser Programm. Von den 2,3 Milliarden Euro müssen wir nicht nur unsere Mitarbeiter und Inhalte bezahlen, sondern auch Preissteigerungen in allen Bereichen abfedern. Die KEF hat dafür eine sehr bescheidene Erhöhung empfohlen. Auf die bestehe ich auch.
„Die größte Herausforderung – noch vor Themen wie Digitalisierung oder Fake News – besteht darin, dass wir mehr in Dialog mit dem Publikum treten.“
Gegner des Systems greifen immer wieder die Pensionskassen an. Sind die zu teuer?
Der Personalkostenanteil des ZDF am Gesamtbudget liegt bei gut 15 Prozent. Da stehen wir verglichen mit Privatsendern gut da. Wenn wir die Altersvorsorge einbeziehen, sind es anderthalb Prozent mehr. Natürlich gab es 1965 oder 1975 andere Rentenzusagen als 2015. Das alte System wurde schon Anfang der Neunzigerjahre reformiert, und für die alten Versorgungslasten gibt es solide Rücklagen. Dass wir unter der Altersvorsorge zusammenbrechen, stimmt einfach nicht.
Wo liegen Sparpotenziale?
Viele sagen ja, die größten lägen in der Digitalisierung. Sie bringt erst einmal einen Mehraufwand, aber in the long run sorgt sie für Effizienz, also Kostenersparnis. Zu unserem Auftrag gehört auch das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Das haben wir schon befolgt, als die öffentliche Debatte darum noch weniger polemisch war, und etwa über zehn Jahre hinweg 600 Stellen abgebaut. Und wir bauen weiter Jahr für Jahr Personal ab. Das heißt für uns: weniger Menschen mit geringeren Lohnerhöhungen als im öffentlichen Dienst müssen jetzt mehr Aufgaben erledigen. Es ärgert mich da schon, dass manche Ministerpräsidenten dies immer noch nicht würdigen. Die KEF hat schon in der Vergangenheit bei jeder Beitragsempfehlung weitreichende Sparmöglichkeiten eingefordert und eingepreist.
Wie kommt man aus der Zwickmühle nötiger Sparmaßnahmen und einem Personal, das darunter leidet?
Mit einer klugen Finanzpolitik. Wir haben 100 Millionen Euro im Programm umgeschichtet, um das Angebot zu modernisieren. Sendungen wurden gestrichen oder anders aufgestellt. Mehrere Krimi-Reihen am Freitag zum Beispiel oder Leute heute. Die Mittel konnte man dann an anderer Stelle investieren. Die zentrale Struktur hilft uns, flexibel zu bleiben.
Werden Sie Sender wie ZDFneo und ZDFinfo einstellen beziehungsweise zusammenlegen?
Wenn der neue Staatsvertrag Ende des Jahres Gültigkeit erlangt, müssen wir das. Die erste Aufgabe wird demnach sein, die Kanäle aus dem Linearen – was ich für die immer noch vielen Zuschauer bedaure – komplett ins Digitale zu überführen.
Lässt sich das binäre System aus ARD und ZDF langfristig aufrechterhalten?
Ich bin davon überzeugt, dass man sich die öffentlich-rechtliche Grundversorgung mit einem nationalen und einem föderalen Anbieter in einer wohlhabenden Demokratie leisten sollte.
Könnten ARD und ZDF nicht enger zusammenarbeiten?
Wir haben die Technik und viele Inhalte unserer Mediatheken zusammengeführt. In naher Zukunft werden wir eine gemeinsame Tochterfirma gründen, in der ARD und ZDF alle technischen Komponenten zusammen entwickeln. Wichtige Bausteine werden als Open Source veröffentlicht, damit andere Unternehmen zugreifen können. Verlage oder Kultureinrichtungen können dann unseren Player, das Empfehlungs- oder das Designsystem für ihre Websites verwenden. Ich will gewiss nicht Netflix werden, aber bei der Streamingplattform des ZDF und den Apps müssen wir wirklich zukunftsfähig sein.
Könnte das auch gemeinsame Unterhaltungsangebote umfassen, etwa im Serienbereich, wo Sky bereits mehrfach mit der ARD kooperiert hat?
Nein. Unsere publizistischen Angebote müssen unterscheidbar bleiben. Nicht nur durch die Farben Blau und Orange, sondern in Gestalt eigenständig produzierter und kuratierter Inhalte. Aber was die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht sehen, also Technik und Logistik, das kann man sich teilen.
Bei Sportereignissen wie Fußballweltmeisterschaften beispielsweise.
Gutes Beispiel. Da höre ich immer den Vorwurf, ARD und ZDF fahren gemeinsam zu den olympischen Spielen. Erstens berichtet ohnehin ein Großteil beider Teams aus Mainz. Und zweitens teilen wir uns die Übertragungen vor Ort tageweise. Ohne diese Synergie wären Großereignisse weder personell noch finanziell für eine der Anstalten allein zu stemmen. Auch das duale Nachrichtenangebot aus Tagesschau und heute ist ein wichtiger Beitrag zum publizistischen Pluralismus.
„Wenn wir mit unserem Programm ein Spiegelbild der Gesellschaft liefern wollen, brauchen wir dafür eine diverse Belegschaft.“
Sind Investigativ-Verbunde aus ARD und ZDF oder anderen Medien denkbar, wie sie NDR und WDR ja bereits erfolgreich mit Süddeutscher Zeitung und Zeit bestreiten?
Wir haben keinen starren Verbund, suchen und finden auf redaktioneller Ebene aber themenbezogene Partnerschaften. Für ein Medium allein ist es kaum mehr möglich, internationale Skandale aufzudecken. Es geht ja oft darum, Tausende Dokumente zu scannen, zu lesen und einzuordnen.
Welchen Beitrag können Sie leisten, um die Pressefreiheit zu schützen?
Die Pressefreiheit steht selbst in westlichen Demokratien unter Druck. Da ist es dringend nötig, sich international zu vernetzen. Ich bin seit Anfang des Jahres Vorsitzender einer Global Task Force diverser öffentlich-rechtlicher Anstalten der ganzen Welt. Da geht es genau darum. Früher waren das eher lockere Zusammenkünfte, jetzt geht es um die Substanz. Auf europäischer Ebene gibt es die European Broadcast Union, die in Brüssel deutlich macht, welch hohes Gut Meinungs- und Pressefreiheit ist. Gerade auch im Hinblick auf die Bundestagswahl, bei der einmal mehr deutlich geworden ist, welches Ausmaß an Falschinformationen wir im Bereich sozialer Medien mittlerweile haben. In die Blasen solcher Fake News dringen seriöse Medien kaum noch vor.
Sie könnten auch den Informationsanteil erhöhen, zulasten der Unterhaltung. Aktuell liegt er bei 44 zu 46 Prozent.
Der Anteil ist erheblich, der höchste in der gesamten Branche. Aber er bezieht sich nur aufs Hauptprogramm. Wenn Sie ZDFheute.de und ZDFinfo, die Streamingplattform und Social-Media-Kanäle dazunehmen, ist das ein enormes Informationsangebot. Das bauen wir weiter aus. Der wichtigste Schlüssel ist aber die Medienkompetenz von klein auf bis ins hohe Alter. Menschen wird der Wert unserer Arbeit zusehends unklarer. Viele unterstellen uns Unsachlichkeit oder Parteilichkeit. Das ZDF muss mehr erklären, was es tut und warum.
Muss das ZDF Teile das Publikums aufgeben, weil sie einfach nicht mehr erreichbar sind?
Wir erreichen 82 Prozent der Menschen im Land, sie nutzen mindestens einmal im Monat ZDF-Angebote. Das ist enorm, heißt aber auch, dass wir viele seltener erreichen als früher –und 18 Prozent gar nicht. Von denen sind manche endgültig verloren. Ich bin aber sicher, dass man viele Skeptiker noch erreichen kann.
Kann sich Ihr Personal bei dem gesellschaftlichen Gegenwind noch motivieren?
Die PR hat mal ein Plakat mit einem Baum entworfen, der krumm und schief im Sturm steht, aber offensichtlich fest verwurzelt bleibt. Die Botschaft: Wir stehen hart im Wind, aber sind fest verwurzelt in unseren Werten und in unserem gesellschaftlichen Auftrag. Die Haltung zeigt sich auch bei den Bewerberinnen und Bewerbern um Volontariate. Zuletzt waren es fast 800 junge Menschen, für die wir leider nur 18 Plätze hatten. Als ich die letzten 30 hier zum Speeddating vor mir sitzen hatte, meinten sie unisono: Wir wollen zum ZDF, weil wir hier etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun können.
Wie steht es um die seelische Gesundheit Ihrer Redaktion?
Wer ein ZDF-Mikro in der Hand hält und fünf Leute zu irgendetwas befragt, wird von vieren bestenfalls Desinteresse kriegen und schlimmstenfalls beschimpft werden. Das macht natürlich was mit Journalisten. Wir haben viele Hilfsangebote, die reichen von Schulungen bis hin zur psychologischen Betreuung. Da geht es nicht mehr nur um die globalen Krisen und Kriege, sondern auch um die Berichterstattung aus dem Inland. Dass es dafür mal einen so hohen Bedarf geben würde, hätte ich mir vor zehn Jahren nicht vorstellen können.
Die tätlichen Angriffe gegen Journalisten haben sich 2024 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. War das ZDF davon betroffen?
Es gab verbale und körperliche Angriffe. Das reicht von Anpöbeln, Anrempeln bis hin zu Handgreiflichkeiten. Die meisten passieren im Umfeld von Demos und Protestkundgebungen. Dazu kommen viele Angriffe im Internet in Form von Hassbotschaften und Drohungen.
In manchen Ländern ist die Pressefreiheit stark eingeschränkt. Haben Sie manchmal Angst um Ihre Korrespondentinnen und Korrespondenten?
Es gibt viele Vorkehrungen, die zur Sicherheit beitragen. Aber ja, natürlich mache ich mir Sorgen.
Mittlerweile auch um Elmar Theveßen in den USA?
Ich saß mit ihm kürzlich hier in der Kantine. Als er mir da von den Arbeitsumständen in den USA erzählte, wurde mir angst und bange. Ein Unternehmen wie das ZDF ist seinem Personal bis zu den lokalen Hilfskräften die Gewissheit schuldig: wir stehen hinter euch. Unsere Chefredakteurin Bettina Schausten ist ständig in Kontakt mit unseren Studios im In- und Ausland. Unser Sicherheitsbeauftragter ist Tag und Nacht erreichbar. Ich bin demnächst bei unserem Team in Tel Aviv.
Wegen all der Konflikte auf der Welt ist der Klimawandel aus dem öffentlichen Bewusstsein gerückt. Wie geht das ZDF mit dem Thema um?
Harald Lesch macht 2025 nichts anderes als 2020: er berichtet über den letzten Stand der Wissenschaft. Der Vorteil einer unabhängigen Institution wie dem ZDF besteht darin, sich von Trends ein Stück weit lösen zu können.
Trotzdem kann das ZDF sie nicht ignorieren.
Nein. Am Ende sind wir Spiegelbilder der Gesellschaft, aus der wir berichten. Aber wir müssen sicherstellen, faktenbasierte Informationen unabhängig vom Zeitgeist zu vermitteln. Manchmal lässt sich beides miteinander versöhnen, manchmal kommt es zur Konfrontation. Beim Klima gilt aktuell Letzteres.
Ist es legitim, wenn das ZDF seinem Publikum eigene Überzeugungen gewissermaßen unterjubelt? Wenn es zum Beispiel Klimathemen in Spielfilmen überbetont?
Wir sind weit weg vom Bildungsfernsehen der Siebzigerjahre, wo jemand an der Tafel stand und die Welt erklärte. Aber bestimmte Lebenswelten gezielt und organisch in die Fiktion einzubinden, ist eine Möglichkeit, Themen zu setzen, die die Gesellschaft ohnehin diskutiert. Da orientieren wir uns an gesellschaftlichen Wirklichkeiten, nicht an Traumwelten. Zur Tochter, die am Esstisch sagt, sie gehe jetzt zur Klimademo, gehört ein Erwachsener, der entgegnet, sie solle sich erstmal um Arbeit oder Schule kümmern. Also kein Unterjubeln, sondern Diversität und Diskurs.
Manch einer kritisiert, das ZDF übertreibe es mit der Diversität im Programm.
Es gibt politische und gesellschaftliche Strömungen, die uns das vorwerfen. Das Schöne ist, dass nicht jedes Programm auch jedem Zuschauer, jeder Zuschauerin schmecken muss. Das Gegenteil von zu großer Vielfalt ist zu große Eintönigkeit.
„Die beste Qualitätssicherung verhindert nicht, dass auch Fehler passieren.“
Welche Bedeutung hat Diversität im ZDF?
Wenn wir mit unserem Programm ein Spiegelbild der Gesellschaft liefern wollen, brauchen wir eine diverse Belegschaft. Das ist ein langfristiger Prozess und nicht einfach für ein Unternehmen auf dem Mainzer Lerchenberg. Bei der Geschlechterparität stehen wir gut da. Wir brauchen größere Diversität bei der geografischen und sozialen Herkunft. Da müssen Einstiegshürden sinken. Seit diesem Jahr haben wir einen Diversitätsbeauftragten, der ins gesamte Haus hineinwirkt.
Geht das Diversitätsdenken auch in die Richtung, wieder mehr konservative Stimmen auf dem Bildschirm zu haben wie früher ein Peter Hahne?
Naja.
Peter Voß.
Jaja.
Gerhard Löwenthal.
So, es reicht jetzt mit den Namen (lacht). Diversität heißt Vielfalt, und die gilt für alle und alles. Wenn man den Begriff offen betrachtet, umfasst er also auch das politische Meinungsspektrum, sofern es demokratisch auf dem Boden des Grundgesetzes bleibt. Die Bandbreite an Meinungen ist elementar und eine Kunst für sich. Bezüglich Maß und Mitte wurde schon immer an mir und meinen Vorgängern gezogen und gezerrt. Meinungsvielfalt bezieht sich nicht allein auf die Arbeit von Moderatorinnen und Moderatoren; sie findet sich vor allem in Talkshows und in der Abbildung politischer Meinungen in der aktuellen Berichterstattung, in Magazinen und Dokumentationen.
Ihre Vorgänger waren wie Sie und ich weiße heterosexuelle Männer. Wie realistisch ist in absehbarer Zeit eine schwarze lesbische ZDF-Intendantin?
Wie für jedes wichtige Amt gilt: Die Person sollte es bekommen, die am besten dafür geeignet ist. Das zu beurteilen, liegt bei unseren Gremien.
So klingt ein zweckoptimistischer Konjunktiv…
Der Indikativ fällt mir gerade auch etwas schwer, weil ich hoffe, noch ein paar Jahre im Amt zu bleiben (lacht).
Ist der ZDF-Intendant eher Bundeskanzler mit Richtlinienkompetenz oder Bundespräsident in repräsentativer Funktion?
Eindeutig eher Bundeskanzler als Präsident. Natürlich muss ich das ZDF bei bestimmten Veranstaltungen repräsentieren, aber ich bin auch CEO eines Großunternehmens mit rund 6.000 Mitarbeitenden. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung steuere ich personell, wirtschaftlich und konzeptionell.
Sie sind gebürtiger Mainzer, haben hier studiert und arbeiten seit 30 Jahren beim ZDF. Sind das gute oder schlechte Voraussetzungen, um Veränderung durchzusetzen?
Beides. Die Gefahr, betriebsblind zu werden, wächst mit den Jahren am selben Ort. Ich trete regelmäßig einen Schritt zur Seite und versuche, von außen aufs Unternehmen zu blicken. Ich diskutiere aber auch gerne mit Externen darüber. Der unschlagbare Vorteil ist, dass ich die Strukturen gut genug kenne, um sie mit einer gewissen Durchschlagskraft verändern zu können.
Sie schmoren also noch ein bisschen weiter im Saft des ZDF?
Solange die Temperatur stimmt, sehr gerne. Ich hatte in meiner Karriere einige Angebote, woanders hinzuwechseln – nicht nur zur ARD, auch zu privaten Sendern. Ich habe jedes Mal mit gutem Gewissen abgelehnt.
Jan Freitag arbeitet als freier Journalist in Hamburg.Felix Schmitt ist Fotograf in Frankfurt am Main.