Nikolaus Förster

Auf Augenhöhe mit dem Mittelstand

03.03.2023

Vor zehn Jahren hat Nikolaus Förster das Unternehmermagazin Impulse aus dem Gruner+Jahr-Kosmos herausgekauft. Nach bewegten Jahren steht das Magazin heute besser da denn je. Förster hat die Zielgruppe verkleinert und den Nutzen erhöht. Heute gibt es bei Impulse nicht mehr Abonnenten, sondern es gibt Mitglieder, die sich um die Aufnahme in das Netzwerk bewerben. Hier erklärt der Impulse-Herausgeber und -Verleger, was das mit dem Journalismus gemacht hat.

„Es ist diese fatale Reichweiten-Logik, die für den Niedergang vieler Verlage mitverantwortlich ist“, sagt Nikolaus Förster. (Foto: Impulse/Steffen Bungert)

Es war der Moment der Wahrheit: Am 9. Januar 2013, abends um 22.08 Uhr, unterschrieb ich nach monatelangen Verhandlungen den Management-Buy-out-Vertrag und übernahm Impulse. 14 Jahre lang hatte ich für Gruner+Jahr gearbeitet, zunächst im Entwicklungsteam der Financial Times Deutschland, als Reporter, Kommentarchef, Ressortleiter, ab 2009 schließlich an der Spitze des Unternehmermagazins Impulse. An diesem kalten Januarabend Anfang 2013 aber, als hunderte Kolleginnen und Kollegen bereits ihre Kündigung erhalten hatten, weil Gruner+Jahr sich dazu entschieden hatte, ihre Wirtschaftsmediengruppe zu zerschlagen, wechselte ich die Rollen: vom angestellten Chefredakteur zum unabhängigen Unternehmer.

Ich ging selbst ins Risiko. Von diesem Augenblick an war ich für jeden Schritt, den ich unternahm, verantwortlich – ein großes Wagnis, aber auch eine einmalige Chance: Ich konnte mich von all den Verlagspraktiken verabschieden, die ich über Jahre hinweg zunehmend frustriert im Konzern miterlebt hatte, an die ich aber schon lange nicht mehr glaubte. Jetzt hatte ich die unternehmerische Freiheit, meine eigenen Ideen umzusetzen: Wie kann man mit Qualitätsjournalismus Geld verdienen?

Die ersten zehn Jahre nach dem Neustart waren eine wilde Zeit – geprägt von Überschwang und bitteren Rückschlägen, von mutigen Experimenten und Naivität. Die anfängliche Euphorie wich schnell einer Ernüchterung, als wir 2014 in die roten Zahlen rutschten und unser Finanzpolster immer dünner wurde. Es war eine kraftzehrende Zeit, die mein Team und mich an unsere Grenzen brachte. Ohne eine Unternehmensvision, die mir Orientierung gab – wir hatten als Team unsere künftige Situation am 18. Dezember 2020 beschrieben –, hätten wir diese kritischen Jahre nicht überstanden. So aber gelang uns der Turnaround. Angefangen mit 20 Köpfen gehören heute mehr als 50 festangestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Impulse-Team – in Hamburg, aber auch in Mannheim, Berlin, Hannover, Kopenhagen, Halle, Friedberg und Denver. Impulse wächst weiter und ist seit sieben Jahren profitabel.

Was aber führte zu dieser Entwicklung, die der Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann kürzlich als „kleines Medienwunder“ beschrieb? Es lassen sich vor allem sechs Aspekte hervorheben:

1) Sich von der Reichweiten-Logik verabschieden

Direkt nach dem Neustart verzichteten wir auf sämtliche Aboprämien. Über Jahre hinweg hatte Gruner+Jahr mit Prämien experimentiert, selbst Bargeld diente als Köder. Mich stieß das ab. Selbst wenn wir auf diese Weise kurzfristige Erfolge verzeichnen, also Interessierte dazu bringen konnten, ein Abo abzuschließen, werde uns dies langfristig schaden, argumentierte ich, fand aber nur wenige Mitstreiter im Konzern. Zu stark hingen die Auflagen von den materiellen Beigaben ab. Zu groß war die Angst, Auflage zu verlieren und Anzeigenkunden zu vergrätzen. Das aber hätte das gesamte Geschäftsmodell gefährdet, da ein Großteil der Erlöse über Werbung erzielt wurde. Und so hielt Gruner+Jahr – wie fast die gesamte Branche – an Aboprämien, Lockpreisen und Gewinnspielen fest.

Es ist diese fatale Reichweiten-Logik, die für den Niedergang vieler Verlage mitverantwortlich ist: Jahrzehntelang hatten sie quasi ein Monopol auf Öffentlichkeit und bestimmten als Gatekeeper, welche Informationen über Zeitungen und Magazine, Radio und Fernsehen publik wurden: Wie ein Spediteur transportierten sie Informationen von A nach B – und nahmen gerne auch noch (gut bezahlte) Werbebotschaften mit. Im Ergebnis bescherte ihnen dies über Jahrzehnte hinweg publizistischen Einfluss und sprudelnde Einnahmen. Das Interesse galt zunehmend den Anzeigenkunden, nicht mehr den eigenen Lesern und Leserinnen. Aus kaufmännischer Sicht war es schließlich einfacher, eine überschaubare Anzahl von Großkunden bei der Stange zu halten, als sich um tausende Leser zu kümmern, die nur kleine Beträge zahlen.

„Guter Journalismus wird auch künftig Bestand haben, wenn er spürbaren Nutzen stiftet und den Menschen – auch monetär – etwas wert ist.“

Erfolg aber macht träge. Und das ist unternehmerisch fatal – vor allem wenn sich Märkte verändern. Spätestens seit der Jahrtausendwende zeichnete sich ab, dass der Einzug der Digitalisierung auch das einstige Informationsmonopol aufbrechen würde. Mit einem Mal standen die traditionsreichen Verlage in Konkurrenz zu jungen Plattformen und Kanälen wie Facebook, Youtube, Twitter und Instagram; jeder einzelne konnte mit einem Klick selbst Inhalte veröffentlichen. Der Medienkonsum veränderte sich, das Monopol der Verlage auf Öffentlichkeit löste sich auf, die Auflagen sanken. Entsprechend wichtig war es, gerade in dieser angespannten Situation nicht auch noch die Anzeigenkunden zu verlieren.

Als Impulse 2013 unabhängig wurde, war mein erster Schritt, sämtliche Aboprämien zu stoppen. Ich wollte Kunden gewinnen, die Lust auf unternehmerische Inhalte hatten, statt auf ein Messerset, einen Grill oder eine Uhr scharf zu sein. Ich wollte den Verlag langfristig nicht über Anzeigenerlöse, sondern über die Jahresbeiträge unserer Mitglieder – anfangs sprachen wir noch von „Abonnenten“ – finanzieren. Auch heute, zehn Jahre später, bin ich davon überzeugt, dass Journalismus nur dann eine Zukunft hat, wenn er über seine ureigene Qualität überzeugt und nicht zum Beiwerk degradiert wird.

2) Qualität am spürbaren Nutzen messen

Was aber bedeutet Qualität im Journalismus? Ja, es geht stets auch um das Handwerkliche, also um Genauigkeit und Verlässlichkeit der Recherchen, um Unvoreingenommenheit und Fairness in der Berichterstattung. Das alleine reicht aber nicht aus. Eine hohe Qualität lässt sich in meinem Verständnis erst dann attestieren, wenn durch die Arbeit der Redaktion tatsächlich ein spürbarer Nutzen entsteht.

Bei Impulse erhalten Leserinnen oder Leser Informationen, die sie dabei unterstützen, in ihren Betrieben andere Entscheidungen zu treffen – und dadurch substanzielle Veränderungen zu erzielen. Das zu schaffen, ist anspruchsvoll, da es tiefgehende Recherchen voraussetzt. Im Idealfall sollen Unternehmer und Unternehmerinnen über übertragbare Fälle und Expertenwissen erfahren, was sie tun können oder lassen sollten. In der Tradition des noch jungen konstruktiven Journalismus werden also nicht nur Probleme oder Herausforderungen thematisiert, sondern zugleich Lösungen präsentiert.

3) Relevanz für eine spitze Zielgruppe erzielen

Ein spürbarer Nutzen – als Qualitätskriterium – lässt sich in allen Bereichen erzielen: in der Politikberichterstattung genauso wie beispielsweise im Lifestyle-Journalismus. Dadurch dass es heute unzählige Medienangebote und soziale Plattformen gibt, herrscht allerdings ein scharfer Wettbewerb um die knappe Zeit. Entsprechend hoch ist der Anspruch: Nur wenn journalistisch wirklich Relevantes geboten, also in die Tiefe gegangen wird und die Inhalte für eine ganz bestimmte Zielgruppe aufbereitet werden, besteht die Chance, dass Leserinnen und Leser Zeit investieren, also einem Text tatsächlich Aufmerksamkeit schenken.

Deshalb haben wir unsere Zielgruppe bei Impulse Schritt für Schritt enger gefasst: Bestand sie vor zehn Jahren noch aus allgemein an Wirtschaft Interessierten, also auch aus angestellten Führungskräften, so konzentrieren wir uns heute nur noch auf Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen mittelständischer Firmen. Wenn man beispielsweise über Arbeitsrecht schreibt, macht es einen großen Unterschied, ob man die Perspektive von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern einnimmt.

4) Vertriebserlöse über Premium-Preise steigern

Journalistisch in die Tiefe zu gehen und sich auf eine eng gefasste Zielgruppe zu konzentrieren – solch eine Nischenstrategie ist die Voraussetzung dafür, dass Kunden tatsächlich spüren, welchen Vorteil ihnen die Recherchen bringen. Nur so lassen sich höhere Preise verlangen, nur so kann ein Abschied von der fatalen Billigpreisstrategie vieler Medientitel gelingen. Kostete ein Impulse-Magazin beim Neustart im Jahr 2013 noch 7,50 Euro, konnten wir den Preis binnen zehn Jahren mehr als verachtfachen. Impulse-Mitglieder zahlen heute 59 Euro netto im Monat. Als Business-to-Business-Titel kommt Impulse zugute, dass Unternehmer in der Regel nicht so preissensibel sind und sie die Mitgliedschaft zudem steuerlich absetzen können. Vor allem aber sind ihre Vorteile durch die Mitgliedschaft – also unternehmerische Tipps und Tricks, wertvolle Kontakte und das Gefühl, auf Menschen zu treffen, die Ähnliches durchmachen – um ein Vielfaches größer als der Jahresbeitrag.

„Kostete ein Impulse-Magazin beim Neustart im Jahr 2013 noch 7,50 Euro, konnten wir den Preis binnen zehn Jahren mehr als verachtfachen.“

Doch auch in anderen journalistischen Segmenten stellt sich die Frage nach dem angemessenen Preis. Sollte sich nicht jedes journalistische Angebot an der Frage messen lassen, was es seinen Lesern und Leserinnen buchstäblich wert ist? Was sind Kunden dafür zu zahlen bereit? Und was müsste geschehen, damit der Betrag steigt – und auf diese Weise substanzielle Summen zur Finanzierung des Journalismus zusammenkommen?

5) Eine unterstützende Gemeinschaft bilden

Zusätzliche Attraktivität gewinnt das journalistische Angebot, wenn es um wertvolles Wissen und vielfältige Erfahrungen von Lesern ergänzt wird. So wichtig es ist, Informationen redaktionell auszuwählen und aufzubereiten – so wertvoll kann es auch sein, den direkten Zugang zu inspirierenden Gesprächspartnern zu bieten. Genau das macht Impulse. 2013 begannen wir, die Marke als Netzwerk zu positionieren – zunächst über Firmenbesuche für Mitglieder, dann über Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch, seit 2022 schließlich über unser digitales Impulse-Forum, in dem sich hunderte Unternehmer gegenseitig unterstützen und voneinander profitieren. Voraussetzung für diesen offenen Austausch ist die Erfahrung, dass man bei Impulse auf andere Inhaber oder Geschäftsführer trifft, die Ähnliches erlebt haben und einen deshalb verstehen. Um solch eine Augenhöhe zu garantieren, haben wir 2022 die Mitgliedschaft beschränkt: Wer künftig zum Impulse-Netzwerks dazugehören möchte, muss ein Aufnahmeverfahren durchlaufen. Nur noch diejenigen Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen werden akzeptiert, die tatsächlich ein Interesse an einer unternehmerischen Weiterentwicklung haben, Vertraulichkeit wahren und auf Akquise in eigener Sache verzichten.

6) Lebenslange Kunden­beziehungen aufbauen

Guter Journalismus wird auch künftig Bestand haben, wenn er spürbaren Nutzen stiftet und den Menschen – auch monetär – etwas wert ist. Zugleich muss es ein großes Vertrauen in die Marke geben. Es geht also nicht nur um überzeugende Inhalte, sondern auch um einen integren Absender: Welche Köpfe stehen hinter einer Marke? Und wofür stehen sie? Entsprechend wichtig sind Transparenz und eine gute wertschätzende Kommunikation. Das ist auch der Grund, warum Impulse seit 2014 – anders als im Konzern – auf Call Center verzichtet und mit festangestellten Kundenbetreuern arbeitet. Direkte Kommunikation ist erwünscht, um besser zu verstehen, vor welchen unternehmerischen Herausforderungen unsere Kunden stehen und was Impulse dazu beitragen kann, sie zu lösen. Genau das ist die Grundlage lebenslanger Kundenbeziehungen, wie sie bei Impulse angestrebt werden. Die Qualität der Angebote soll so hoch sein, dass die Kunden über viele Jahre treu bleiben.

Der Impulse-Neustart: Vor zehn Jahren war er eine Wette auf die Zeit. Soll Journalismus auch künftig die Rolle eines Reichweitenbeschaffers spielen? Oder vielmehr versuchen, so viel Nutzen zu stiften, dass eine substanzielle Zahlungsbereitschaft entsteht? Für mich stand 2013 fest, welchen Weg ich einschlagen wollte – auch wenn dies von vielen belächelt wurde.

Heute steht fest: Wir haben zumindest die ersten zehn Jahre überlebt, wenngleich es ein Experiment am offenen Herzen war. Dass die große Party, mit der das zehnjährige Jubiläum des Impulse-MBOs Anfang 2023 gefeiert wurde, fast mit der Bertelsmann-Ankündigung zusammenfiel, hunderte Gruner+Jahr-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlassen, mutet als bittere Ironie an. So traurig der Niedergang des einst renommierten Verlagshauses auch ist – es bleibt zu hoffen, dass daraus Lehren gezogen werden und Neues entsteht. Denn: Krisen sind gute Zeiten für kreative Köpfe. Auch für guten Journalismus.

Nikolaus Förster ist Herausgeber und Geschäftsführender Gesellschafter von Impulse.

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