Megathemen 2023

Das wird mega!

23.01.2023

Was sind die Megathemen, die den Journalismus beeinflussen? Welche Themen dominieren die Berichterstattung, welche betreffen Journalist*innen und Medienhäuser? Der journalist hat sich bei Medienschaffenden umgehört, an welchen Themen und Formaten sie gerade arbeiten und welche 2023 wichtig werden. Tipps für Bücher, Veranstaltungen und Workshops sind auch dabei. Text: Kathi Preppner; Illustrationen: Jan Kruse/Human Empire Studio

"Wir Journalist*innen müssen bei uns selbst anfangen. Erst wenn wir den Gedanken zulassen, dass die Klimakrise wirklich so schlimm und akut ist, wie sie der IPCC-Bericht beschreibt, können wir angemessen über sie berichten." (Illustration: Jan Kruse/Human Empire Studio)

„Megatrends“, das sind die großen Themen, die die Gesellschaft verändern. Oft beziehen sich Entscheider*innen aus Politik und Wirtschaft darauf, weshalb der Begriff immer so ein bisschen nach Politiker- oder Unternehmerinnen-Sprech klingt. Aber auch für den Journalismus spielen sie natürlich eine enorm wichtige Rolle. Manche Themen, wie KI oder Vernetzung, verändern vor allem die Art journalistischen Arbeitens. Andere betreffen Journalist*innen auch ganz persönlich, so wie der Klimawandel. Und natürlich sind sämtliche Megatrends immer auch ergiebige Themen für die Berichterstattung.

Welche dieser Megatrends für die Verlagsbranche die größte Rolle spielen, hat die Unternehmensberatung KPMG in Kooperation mit dem Medienverband der freien Presse (MVFP, ehemals Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) erhoben. 160 Verlage hat sie im vergangenen Jahr befragt. Das Ergebnis: Besonders wichtig sind den Verlagen der demografische Wandel, Klimawandel und Nachhaltigkeit sowie die Veränderungen in der Arbeitswelt unter dem Schlagwort New Work. Auch den Themen Individualisierung und Automatisierung messen knapp zwei Drittel der Medienhäuser große Bedeutung bei.

Automatisierung / KI

KI als Treiber für digitale Veränderungen

Als das US-amerikanische Unternehmen OpenAI im November seine neueste Anwendung Chat-GPT vorstellte, war die Aufregung groß. Auch Journalist*innen ließen den Chatbot Texte schreiben und fragten sich, ob die KI des von Elon Musk mitgegründeten Unternehmens sie bald arbeitslos mache. „Wie immer ranken sich viele Fragen darum: Inwieweit werden Journalisten ersetzt? Inwieweit wird der Wissenschaftsbetrieb beeinträchtigt?“, sagt Uli Köppen, die das AI + Automation Lab beim Bayerischen Rundfunk leitet. Sie interessiert hingegen, „wo das in den nächsten Monaten tatsächlich für Journalismus eingesetzt wird – oder ob es eher bei Spielereien bleibt“.

Bisher sind solche freien Modelle laut Köppen für den Journalismus gar nicht so nützlich, weil sie immer noch zu fehleranfällig sind. Sie erfinden zum Teil sogar einfach Inhalte, „halluzinieren“ nennt man das. Beim Bayerischen Rundfunk gibt es zwar automatisch generierte Texte wie zum Beispiel Spielberichte, aber sie werden mit vergleichsweise konservativen Methoden erstellt. „Das sind teilweise einfach Lückentexte, die wir mit Daten füllen“, erklärt Köppen.

Außer Frage steht hingegen, dass Künstliche Intelligenz den Journalismus immer stärker prägt. In der KPMG-Verlagsumfrage von 2021 maßen nur 46 Prozent der befragten Verlage Automatisierung und KI große bis existenzielle Bedeutung bei – in der aktuellen Studie sind es fast zwei Drittel. Uli Köppen vom BR beobachtet, dass Automatisierung und KI mittlerweile im kompletten Newszyklus angekommen sind – von der Archivierung über die Produktion bis hin zu Veröffentlichung und Verteilung.

Das AI + Automation Lab des BR gibt es seit März 2020. Köppen und ihr Team im BR haben sich entschieden, sich auf personalisierte Produkte zu konzentrieren (siehe „Individualisierung/Personalisierung“). Jetzt ist das Team so weit, seine Prototypen in die bestehenden Systeme zu integrieren. „Da findet unsere Arbeit nun Berührung mit der Digitalstrategie hier im Haus“, sagt Köppen. „Das ist etwas, was jetzt auch in anderen Medienhäusern ansteht.“ Köppen findet diesen Prozess extrem spannend. „KI ist ein guter Treiber für digitale Veränderungen“, sagt sie.

Noch ist br.de aber komplett menschlich kuratiert. Bei Swedish Radio trainieren die Redakteur*innen hingegen bereits eine KI. Dafür hat die Redaktion zunächst verschiedene Nachrichtenwerte definiert. Wer einen Text online stellt, wählt zuvor in einer Maske aus, wie groß die Nachricht ist, welche Lebensdauer sie hat und inwiefern die Werte des Senders erfüllt werden – ob der Beitrag zum Beispiel nah am Publikum ist, ob Betroffene zu Wort kommen und so weiter. Anhand dieser Angaben weist das System dem Artikel einen Score zu, der seine Position auf der Website bestimmt. So lernt der Algorithmus immer mehr, um diese Bewertung irgendwann selbst vorzunehmen.

Auch der Sprachassistent Beeb der BBC ist für Köppen ein gutes Beispiel, wie man öffentlich-rechtlichen Journalismus zugänglicher machen kann. „Das finde ich eine großartige Anwendung, weil das Produkt einen Servicegedanken transportiert und verbunden ist mit der Identität eines Senders.“ Die BBC hat für Beeb einen walisischen Akzent gewählt, mit dem er Texte vorliest – und so Inhalte barrierefrei zugänglich macht.

Tipps: Uli Köppen empfiehlt die Online-Materialien der Initiative Journalism AI der London School of Economics. Viele KI-Themen gibt es auch auf der Data-Harvest-Konferenz, die Anfang Juni in Belgien stattfindet. Beim International Journalism Festival in Perugia (dieses Jahr Mitte April) gibt es mittlerweile ganze Tracks zu Künstlicher Intelligenz.

Vernetzung/kollaboratives Arbeiten

Austausch über Redaktionsgrenzen

Wenn vom Megatrend „Vernetzung“ oder „Konnektivität“ die Rede ist, sind häufig smarte Geräte gemeint oder Autos, die miteinander kommunizieren. Für Journalist*innen ermöglicht Vernetzung aber auch neue Formen der Recherche über Mediengrenzen hinweg. Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und Mitgründer der Digital-Konferenz Republica, beobachtet, dass solche Kollaborationen unkomplizierter geworden sind. „Wir haben festgestellt, dass auch bei größeren Medien in den vergangenen Jahren die Kontrollverlust-Angst etwas zurückgegangen ist“, sagt er. Netzpolitik.org hat zum Beispiel gemeinsam mit Correctiv, taz, Spiegel und ZDF Magazin Royale Recherchen veröffentlicht.

Auch Jonathan Sachse hat den Eindruck, dass es eine neue Generation von Journalist*innen gibt, die den Mehrwert solcher Kollaborationen erkennt. Rund 1.500 Journalist*innen gehören mittlerweile zum Netzwerk Correctiv.Lokal, das Sachse leitet. Die Mitglieder tauschen sich über Slack aus. Gemeinsame Recherchen starten mit einem Kick-off-Treffen auf Zoom, die weitere Kommunikation findet auf Slack statt. Später schickt Correctiv.Lokal allen Mitgliedern das sogenannte Rezept, ein Google-Dokument mit allen Rechercheergebnissen. Die meisten Lokalmedien gehen direkt nach der vereinbarten Sperrfrist mit ihrem Text raus.

Bei einer Recherche zu Schwangerschaftsabbrüchen haben die Lokaljournalist*innen Daten aus öffentlichen Krankenhäusern erschlossen, indem sie Auskunftsanfragen vor Ort gestellt haben. „Das waren mehr als 1.000 Emails, die wir zusammen verschickt haben“, berichtet Sachse. „Alle Ergebnisse sind bei uns eingegangen, wir haben sie in einer Datenbank zusammengestellt, und dann konnten alle hier im Netzwerk reinschauen und sich die für ihre Regionen relevanten Antworten raussuchen.“ Manchmal besorgt auch Corretiv.Lokal Daten, wertet sie aus und stellt sie allen zur Verfügung – je nachdem, was sich beim jeweiligen Thema anbietet.

Vorbild für Correctiv.Lokal, das zum Recherchezentrum Correctiv gehrt, ist das Bureau Local aus London. Auch das US-amerikanische Recherchezentrum ProPublica hat 2018 das Local Reporting Network gestartet. Sachse fände es spannend, wenn es solche Netzwerke in vielen Ländern gäbe und man sich über Ländergrenzen hinweg austauschen könnte. Das machen zum Beispiel Recherche-Organisationen wie das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) oder Bellingcat. „Es ist insgesamt gang und gäbe geworden, dass Medien sich öffnen und schauen, ob sie länderübergreifende Kooperationen hinkriegen“, sagt Sachse.

Tipps: Zum Netzwerken bieten sich die Republica Anfang Juni in Berlin, die Jahreskonferenz des Netzwerks Recherche Mitte Juni in Hamburg und die Global Investigative Journalism Conference im September in Göteborg an. Correctiv.Lokal plant für dieses Jahr außerdem eine Lokaljournalismus-Empowerment-Konferenz.

Nachhaltigkeit/Klima

Ein Thema, das immer mitgedacht werden sollte

In der ersten Ausgabe ihres Newsletters im neuen Jahr schreiben Katharina Mau und Leonie Sontheimer über die Macht der Verdrängung. „2022 war kein gutes Jahr für das Klima. So wie 2021, 2020, 2019 und viele Jahre davor.“ Doch auch im Journalismus werde das immer noch verdrängt. „Wir Journalist*innen müssen bei uns selbst anfangen. Erst wenn wir den Gedanken zulassen, dass die Klimakrise wirklich so schlimm und akut ist, wie sie der IPCC-Bericht beschreibt, können wir angemessen über sie berichten.“

Mau und Sontheimer hosten gemeinsam den Newsletter Onboarding Klimajournalismus des Netzwerks Klimajournalismus Deutschland, in dem sie sich engagieren. Der Newsletter, der seit November einmal monatlich erscheint, soll dabei helfen, sich in klimajournalistische Themen einzuarbeiten. Die beiden Journalistinnen gehen auf Aktuelles ein, erklären aber auch Basics wie das CO2-Budget oder was Markus Lanz in seiner Talksendung über Klimaanpassung hätte wissen können.

Generell beobachten Mau und Sontheimer, dass sich immer mehr Journalist*innen mit der Klimakrise beschäftigen. Für viele sei sie jedoch immer noch ein Thema unter vielen und kein Querschnittsthema, das alle Ressorts betrifft. „Ich finde es total wichtig, dass die Klimakrise mehr als Dimension verstanden wird“, sagt Mau im Gespräch mit dem journalist. „Dass wir nicht nur darüber berichten, wenn der nächste Klimagipfel ansteht, sondern dass das Thema immer mitgedacht wird.“ Natürlich spricht aus ihrer Sicht nichts dagegen, einen Klimagipfel oder eine Hitzewelle als Aufhänger zu nutzen. Wichtig sei es aber, auch Zusammenhänge und Handlungsoptionen zu beleuchten. „Wir sollten lösungsorientiert berichten, ohne zu sagen: Alles wird gut“, so Mau.

Besonders gut gefallen hat ihr in diesem Jahr eine gemeinsame Recherche von Zeit und Correctiv darüber, wie Hitze Menschenleben gefährdet. Oder die Recherche zweier Zeit-Reporterinnen zu der Frage, ob man Klimalabels vertrauen kann. Auch die Klimaseite der Saarbrücker Zeitung findet Mau gut. Redakteurin Aline Pabst hat im Sommer 2021 die Schwerpunktseite „Klima & Umwelt“ gestartet, die einmal wöchentlich erscheint. „Eine solche Klimaseite kann ein guter Anfang sein“, sagt Mau. „Aber eigentlich müssen wir dahin kommen, dass wir überall über die Klimakrise berichten.“ Die Einführung eines Klima-Formats oder -Ressorts dürfe nicht als Entschuldigung dafür herhalten, dass das Thema in anderen Ressorts zu kurz kommt.

Die Klimakrise ist nicht nur ein Thema, über das Medien berichten – es betrifft natürlich auch die Medienunternehmen selbst, deren Mitarbeiter*innen häufig in aller Welt unterwegs sind. „Generell denke ich, dass jedes Unternehmen gucken sollte, wie es seine Emissionen reduziert“, sagt Mau dazu. Und auch Journalist*innen könnten sich Gedanken darüber machen, wie sie zu ihren Terminen kommen: „Natürlich ist es wichtig, vor Ort dabei zu sein. Aber ich frage mich schon, wie viel wir als Journalist*innen wirklich durch die Gegend fliegen müssen. Da gibt es bestimmt auch oft Alternativen wie einen Video-Call oder eine Zugfahrt.“

Tipps: Katharina Mau empfiehlt die Bücher Klartext Klima von Sara Schurmann und Deutschland 2050 von Nick Reimer und Toralf Staud. Das Forum Journalismus und Medien in Wien bietet eine Workshop-Reihe mit dem Titel Klimajournalismus-Akademie an, und bei der Jahreskonferenz des Netzwerks Recherche gibt es einen Klima-Track.

Versorgungssicherheit

Realitätscheck für politische Entscheidungen

Was ist die beste Alternative zur Gasheizung? Wann lohnt sich der Einbau einer Wärmepumpe? Servicethemen waren bei der Handelsblatt-Leserschaft im vergangenen Jahr besonders beliebt, sagt Klaus Stratmann. Er berichtet seit 2005 für das Handelsblatt mit Schwerpunkt Energiepolitik aus Berlin. Einen solchen Einschnitt wie 2022 hat er noch nie erlebt. „Bislang hat sich nie jemand ernsthaft Sorgen um die Versorgungsicherheit gemacht“, sagt er. Das habe sich dramatisch geändert. „So direkt war die Betroffenheit der Leser noch nie spürbar.“

Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit auch auf Medienseite. Wenn früher acht Journalist*innen zum Hintergrundgespräch ins Wirtschaftsministerium kamen, seien es heute 40, berichtet Stratmann. Zudem gebe es enorme Beschleunigungseffekte: „Das Ministerium ist so unter Dampf, da ist vieles mit heißester Nadel gestrickt.“ Stratmann erinnert an die hitzige Debatte um die Gasumlage, die am Ende gar nicht kam. Diesem Hin- und Her folgt natürlich auch die Berichterstattung. Beim Handelsblatt hat man darum Ressortgrenzen aufgebrochen und Kräfte gebündelt.

Es könne aber nicht nur darum gehen, das, was einem in ungeheurer Geschwindigkeit vorgelegt wird, zu rapportieren. Für Stratmann lautet die zentrale Frage zurzeit: Bleibt Deutschland ein Industrieland? Es sei die Frage, wie schnell man sich nachhaltig und dauerhaft vom Gas lösen und den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben kann. „Energie und Klima sind zwei Seiten einer Medaille“, sagt Stratmann. Seine Aufgabe als Journalist sieht er dabei im „Realitätscheck“. Dabei seien Thinktanks und wissenschaftliche Institute eine große Hilfe.

Wie der Klimaschutz ist Versorgungssicherheit nicht nur Berichterstattungsthema, sie betrifft Medienhäuser auch als Unternehmen. Verlage bekommen die Papierkrise und gestiegene Energiekosten deutlich zu spüren. Zum Jahreswechsel wurde das Magazin Hohe Luft eingestellt, mit Verweis auf „die allseits steigenden Kosten und das veränderte Konsumklima“. Auch die Frauenzeitschriften Joy und Shape sind im Dezember zum letzten Mal erschienen. „Der Werbemarkt implodiert, die Produktionskosten explodieren. Wir als kleiner Verlag können es uns nicht leisten, diese Zeit lange zu überbrücken“, sagt Geschäftsführer Alexander Lehmann vom Ocean Verlag dazu. Er befürchte, dass 2023 für die Medienbranche kein gutes Jahr wird.

Tipps: Der diesjährige Handelsblatt-Energie-Gipfel hat schon Mitte Januar stattgefunden, aber die Wirtschaftszeitung veranstaltet auch einen Wasserstoff-Gipfel Anfang Mai in Salzgitter und eine Gas-Tagung im September in Berlin.

Individualisierung/Personalisierung

Journalismus für alle

Zum Megatrend Individualisierung gehören persönliche Wahlfreiheiten und individuelle Selbstbestimmung. Das können Verlage über ausdifferenzierte, personalisierte Angebote erreichen. Laut der aktuellen KPMG-Verlagsstudie erwartet die Mehrheit der Verlage, dass personalisierte Angebote in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. 60 Prozent von ihnen haben oder planen personalisierte Newsletter, Apps oder Social-Media-Formate. Gut 80 Prozent halten eine Personalisierung der Inhalte für sinnvoll, nicht nur von Kundenansprache und Vertrieb. Es gibt aber auch noch einige Vorbehalte gegenüber Personalisierung – zum Beispiel die Befürchtung, dass dadurch Filterblasen entstehen und Leserschaft und Publikum nicht mehr umfassend informiert werden.

Bei den personalisierten Prototypen, die im AI + Automation Lab beim Bayerischen Rundfunk entstehen, geht es nicht um thematische Kuratierung, sondern um die Darreichungsform. Das ist Uli Köppen wichtig zu betonen. „Um Filterbubbles muss man sich mit dieser Form der Personalisierung keine Sorgen machen“, sagt sie. „Wir versuchen eben nicht, Amazon oder Facebook zu imitieren oder möglichst Netflixartig unsere Inhalte zu verteilen. Wir wollen das mit einem öffentlich-rechtlichen Impetus tun. Über Personalisierung können wir im Netz unserem Auftrag nachkommen, Journalismus für alle zu machen.“ Als Beispiel nennt Köppen das Format Remix Regional, ein Prototyp für ein personalisiertes, regionalisiertes Audio-News-Briefing: „Dafür teilen wir unsere linearen Regionalnachrichten automatisiert in die einzelnen Meldungen, vertaggen sie und stellen sie dann personalisiert zur Verfügung“, erklärt Köppen.

Köppens Team hat zwei Bereiche der Personalisierung für sich identifiziert: Regionalisierung und Versionierung, die Ausspielung eines Inhalts als Audio oder Video, Plattform- und Device-gerecht. Es geht darum zu verstehen, welche Versionen die User*innen gerne hätten – und sie mit algorithmischer Unterstützung zu erstellen.

Bei der Personalisierung ist immer auch die Frage, ob sie auf expliziten Wunsch des Nutzers angeboten wird oder einfach so. Man spricht von expliziter und impliziter Personalisierung. Bei den personalisierten Angeboten von Faz.net müssen die Leser*innen zum Beispiel ihre Lieblingsthemen auswählen oder Autor*innen folgen, um entsprechende Empfehlungen zu bekommen.

Demografischer Wandel

Eine Kulturfrage

Die Bevölkerung hierzulande wird immer älter, die Babyboomer gehen nach und nach in Rente – und das macht sich langsam auch in den Redaktionen bemerkbar. Niddal Salah-Eldin, seit Sommer Leiterin des neu geschaffenen Vorstandsressorts Talent & Culture bei Axel Springer, beschäftigt sich mit der Frage, was die Top-Journalist*innen von morgen von den Medienhäusern erwarten.

„Es kommt eine neue Generation auf den Arbeitsmarkt, die ganz andere Anforderungen hat an den Kontext, in dem sie arbeiten will“, sagt Salah-Eldin im Podcast der Online Marketing Rockstars. Diesen jungen Leuten gehe es nicht nur um einen coolen Titel und spannende Aufgaben. „Die gucken sich auch an: Meint mein potenzieller Arbeitgeber das eigentlich ernst, was er in seine Werte-Übersicht reinschreibt? Wie steht es denn um die Nachhaltigkeit? Wie steht es um Vielfalt?“ Das höre sie immer wieder aus dem Recruiting von Axel Springer.

Für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens spielt dessen Kultur eine entscheidende Rolle, glaubt Salah-Eldin. Der „sehr prominente Compliance-Case“ um Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt habe einen Effekt auf alle Kolleg*innen im Haus gehabt. Sie habe sich da „durchaus proaktiv mit eingebracht“, verrät sie im OMR-Podcast, und eine Taskforce mit angetrieben, die sich Compliance-, Kommunikations- und Personalauswahl-Prozesse genau angeschaut hat. „Ich bin daran interessiert, das kulturelle OS von Axel Springer zu aktualisieren und auf einen anderen Standard zu heben, der auch unsere internationalen Ambitionen zeigt.“ Salah-Eldins Fazit: „Die Menschen und die Kultur, in der die Menschen arbeiten, das ist das wichtigste Asset für jedes Unternehmen. Denn das sind die Leute, die die Produkte von morgen machen.“

New Work

Was für Arbeitgeber wollen Medienunternehmen sein?

Mit der Pandemie ist das Homeoffice auch in Redaktionen möglich geworden – und in vielen bleibt es, zumindest tageweise. „Die große Frage ist nun, wie flexible Arbeit ausgestaltet wird“, sagt die Journalistin und Medienberaterin Sara Weber. „2020 sind alle überstürzt ins Homeoffice gegangen. Jetzt müssen wir herausfinden: Wie macht man das richtig gut?“

Weber hat bis Mitte 2021 als Redaktionsleiterin beim Karrierenetzwerk Linkedin gearbeitet und dessen Redaktionsteams in Deutschland und den Niederlanden mit aufgebaut. Zu Beginn der Pandemie arbeitete sie so viel wie nie zuvor. Die Krise habe wie ein Katalysator gewirkt, der alles nur noch schlimmer gemacht hat, schreibt sie in ihrem Buch Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?, das in diesen Tagen erscheint: „Auf einmal haben wir gesehen, was wir davor nicht so wirklich wahrhaben wollten: Dass unsere Arbeitswelt große Probleme hat. Aber wir sind zu ausgebrannt, um etwas daran zu ändern.“

Die Trennung von Arbeit und Privatem sei gerade für Journalist*innen oft schwierig, sagt Weber im Gespräch mit dem journalist. Die Frage sei: „Wie kriegt man es hin, dass die Leute sich zu Hause nicht überarbeiten? Das müssen Unternehmen oder vielleicht auch die Politik vorgeben. Ich glaube schon, dass man da mehr machen kann.“ Es müsse klar kommuniziert werden, zu welchen Zeiten erwartet wird, dass Redakteur*innen auf Slack oder E-Mails antworten. Und wenn jemand, der eigentlich krank oder im Urlaub ist, antwortet, müsse es ein Gespräch geben, dass das nicht okay ist. Auf das Homeoffice stellen Medienhäuser sich ein und unterzeichnen Tarifverträge über hybrides Arbeiten, die die Arbeit im Homeoffice regeln, wie beispielsweise der NDR. Oder sie richten neue Arbeitsflächen ein wie die dpa, die Mitte des Jahres ihren neuen Newsroom in der Berliner Markgrafenstraße bezieht. Laut Sara Weber ist aber vor allem ein Kulturwandel wichtig. „Medienunternehmen legen viel Wert auf ihre Redaktionslinie“, sagt sie. „Die Frage, was für ein Arbeitgeber sie sein wollen, wird hingegen oft vergessen. Das müssen viele Medienhäuser stärker ausarbeiten.“

Weber hat auch praktische Tipps, um die Remote-Arbeit besser zu strukturieren. „Eins der Probleme ist ja, dass wir ganz viel von unserer Arbeit von digitaler Kommunikation strukturieren lassen“, sagt sie. Um zum Beispiel anzuzeigen, dass man gerade einen Recherchetag hat oder einen längeren Text schreibt, könnte man Emojis im Redaktionssystem einführen – ähnlich, wie in manchen Newsrooms mit grün, gelb oder rot leuchtender Lampe am Arbeitsplatz angezeigt wird, ob jemand gerade ansprechbar ist oder nicht. „Auch remote sollte man klar machen, in welcher Phase man sich gerade befindet.“

Tipps: Für Organisation und Aufgabenverteilung in der Redaktion empfiehlt Sara Weber die Projektmanagement-Tools Trello oder Notion, für die kreative Zusammenarbeit die Whiteboards Mural oder Miro.

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