Podcasts

Keine Blase, sondern richtiges Business

26.11.2021

Podcasts werden immer professioneller. Doch Autor*innen sind oft nicht sicher, welche Rechte ihnen zustehen. Eine Übersicht über den derzeitigen Podcastmarkt zeigt die Möglichkeiten für Podcast-Macher*innen. Text: Eva Morlang.

"Wo Geld auftaucht, müssen auch Verträge gemacht werden", sagt Podcaster Frank Joung (Halbe Katoffl). (Illustration: Jessy Asmus)

Spätestens seit der Pandemie ist klar: Podcasts sind mehr als ein vorübergehender Hype. Jüngste Studien belegen, dass inzwischen rund 40 Prozent aller Menschen in Deutschland mindestens gelegentlich Podcasts nutzen. Regelmäßig hört sie vor allem die Altersgruppe bis 39 Jahre, doch auch unter Älteren gibt es immer mehr Hörer. Die Heavy User*innen hören seit der Pandemie sogar noch mehr als zuvor. Zudem zeigt eine Studie des Podcastvermarkters Julep und der Mediaagentur Pilot aus dem Frühjahr 2021, dass die Akzeptanz von Werbung in Podcasts hoch ist. Im Podcastmarkt ist Geld zu holen – und damit muss sich die Branche zwangsläufig professionalisieren.

Was in Deutschland bisher fehlt, ist eine einheitliche Messung von Abrufzahlen. Honorare sind extrem uneinheitlich und ebenso, was rechtlich in Verträgen geregelt wird. Das hat vor allem damit zu tun, dass Podcasts in den unterschiedlichsten Kontexten und von verschiedensten Akteuren produziert werden. Zum einen sind da die öffentlich-rechtlichen Radiosender. Nachdem sie Podcasts lange Zeit nur als weiteren Ausspielweg für Radiobeiträge verstanden hatten, produzieren sie nun richtige Podcasts. Und die sind teilweise sehr erfolgreich, wie zum Beispiel der Podcast Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?, der wochenlang an der Spitze der Podcast-Charts stand – eine der bislang aufwendigsten deutschen Podcast-Produktionen, die als Koproduktion von NDR und RBB sowie den Produktionsfirmen Studio Bummens und K2H entstanden ist.

Viele Podcast-Produktionsfirmen wurden in den letzten Jahren gegründet und sind extrem schnell gewachsen. Aufträge zu holen gibt es bei den großen Streaming-Anbietern wie Spotify und Audible, die Firmen mit der Produktion von sogenannten Originals beauftragen: Podcasts, die exklusiv für den Anbieter produziert werden. Auch Medienhäuser abseits des Hörfunks produzieren schon lange Podcasts. Manche beauftragen dazu Firmen, wie etwa Zeit und Zeit Online für manche ihrer Podcasts die Berliner Pool Artists. Manchmal kooperieren sie auch mit den großen Playern, wie zuletzt die Süddeutsche Zeitung mit Spotify für den Original-Podcast Terror am OEZ. Dazu kommen unzählige Podcasts, die Firmen, Forschungsinstitute oder Kulturinstitutionen selbst machen, teils mit, teils ohne professionelle Unterstützung. Und mitten drin die freien Podcaster*innen und Autor*innen – manche aus dem Hörfunk oder anderweitig journalistisch ausgebildet, andere nicht.

Für diejenigen, die sich mit eigenen Formaten eine Community aufgebaut haben, stellt sich längst die Frage, ob sie unabhängig bleiben. Viele haben über Jahre Unterstützer*innen bei Crowdfunding-Plattformen wie Steady gewinnen können, um ihre laufenden Kosten zu decken. Doch an ein Honorar von Spotify oder Audible kommen sie so nicht heran. Einige als unabhängig gestartete Podcasts sind nun Exclusives, zum Beispiel A Mindful Mess der Bloggerin Dariadaria, der zwei Jahre nach der ersten Folge zum Spotify-Exclusive-Podcast wurde. In jüngster Zeit wurden mehrere erfolgreiche Independent-Formate von etablierten Medienhäusern übernommen: Kanackische Welle ist seit Mai Teil von Funk, Rice and Shine erscheint seit Juni als Koproduktion von WDR Cosmo und Zeit Online.

Professionalisierung
Frank Joung ist mit Halbe Katoffl schon lange eine Größe in der Podcast-Szene und ein Vorreiter unter den Podcasts aus der Perspektive von Menschen mit Migrationsgeschichte. Er ist mit seinem Format nach wie vor unabhängig, lässt seinen Podcast aber über das Podcastlabel Hauseins vermarkten. Joung hat den Eindruck, dass die Szene erwachsen geworden ist: „Die Leichtigkeit und die Aufbruchsstimmung sind verloren gegangen.“ Das sieht er aber als Bestätigung: „Das heißt, es ist keine Blase, sondern es wird richtiges Business. Das heißt auch, dass nicht übermorgen alles weg ist“, sagt er. Jetzt sei entscheidend, sich ernsthaft mit Verträgen abzusichern: „Wo Geld auftaucht, müssen auch Verträge gemacht werden.“ Er selbst hat schlechte Erfahrungen gemacht, als Spotify einen Original-Podcast herausbrachte, der dem Format seines Podcasts stark ähnelt. Eine Idee kann man nicht rechtlich sichern – den Namen Halbe Katoffl hat er aber inzwischen markenrechtlich geschützt.

Die großen Player wie Spotify und Audible sowie FYEO von ProSiebenSat.1 und die öffentlich-rechtlichen Anstalten schließen selbstverständlich Verträge ab. Bei wem welche Rechte liegen, ist von Fall zu Fall verschieden. Bei Originals sichern sich die Firmen meist jegliche Rechte über sogenannte Total Buy-outs. Doch diese Produktionen machen nur einen Bruchteil der Podcast-Landschaft aus. Viele Formate entstehen in kleinerem Rahmen, wo Verträge nicht selbstverständlich sind. Wie problematisch das ist, fällt vielen erst dann auf, wenn eine Kooperation nicht mehr so läuft, wie erwartet.

Diese Erfahrung machte etwa ein Podcaster im Bereich Film. Nachdem die Produktionsfirma über längere Zeit keinen Werbepartner für den Podcast gewinnen konnte, wollte sie ihn auf unbestimmte Zeit aussetzen. Der Autor wollte den Podcast unabhängig auf eigenes finanzielles Risiko fortführen. Um den RSS-Feed abzugeben, an dem die Abonnent*innen hängen, forderte die Produktionsfirma eine fünfstellige Ablösesumme – unverhältnismäßig viel und deutlich mehr, als die Parteien in den Podcast investiert hatten. Ohne Vertrag wusste der Autor nicht, welche Rechte ihm zustehen, und sah sich gezwungen, auf den RSS-Feed zu verzichten und einen neuen Podcast unter neuem Namen zu starten. Es hat etwa ein halbes Jahr gedauert, bis er wieder so viele Abonnent*innen hatte wie zuvor.

Auch unter Freund*innen, die zusammen einen Podcast machen, kann ein Vertrag irgendwann relevant werden. Dazu muss es nicht mal zum Streit kommen. Es reicht schon, wenn die Hosts unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wo es mit dem Podcast hingehen soll. Ervanur Yilmaz und Delal Noori starteten 2019 den Podcast Gedankensalat. Seit kurzem führt Yilmaz den Podcast eigenständig fort. Da die beiden keinen Vertrag gemacht hatten, war es nicht leicht, zu dieser Einigung zu kommen. Yilmaz rät deshalb anderen Podcaster*innen: „Sprecht von Anfang an, macht klar, was eure Erwartungen an den Podcast und eure Arbeit sind, wie viel Zeit und Geld ihr investieren wollt. Und macht Verträge.“

Die Checkliste

Für das Podcast-Team. Euer gemeinsames Werk ist untrennbar verbunden.
Deshalb:

- Verhältnis der jeweiligen Anteile klären und bei Vergütung berücksichtigen
- Regeln für Entscheidungsfindung verbindlich treffen, auch für den Fall der Trennung, um Blockaden zu vermeiden

Für bestehende Werke:
- Genehmigungen für benutzte Musik, Texte und Bilder einholen
- Zitieren nur bei Auseinandersetzung mit dem Zitierten, keine Nutzung zur reinen Untermalung

Für das Objekt der Berichterstattung:

- Auf journalistische Sorgfalt achten
- Meinungsäußerungen sind fast immer zulässig
- Tatsachen müssen wahr sein, also beweisbar
- Ist der Podcast werbefinanziert? Dann Trennung von Redaktion und Werbung beachten
- Bei Äußerungen über Produkte Irreführungen vermeiden
- Auseinandersetzung mit anderen Podcasts und Beiträgen sachlich führen

Für Titel, Cover und so weiter:
- Ist der Titel verfügbar? Brauche ich selbst Titelschutz?
- Für Abbildungen auf dem Cover Genehmigungen einholen

Für die Plattform:
- Auf Laufzeiten und Perspektiven achten
- Frühzeitig RSS-Feed sichern, um Follower zu erhalten
- Welche Rechte vergebe ich für wie lange?

Eva Morlang arbeitet als freie Journalistin in Leipzig. Sie moderiert und produziert Podcasts für verschiedene Auftraggeber.

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