Reform von Rundfunk- und Verwaltungsräten

Wie kontrollieren wir ARD und ZDF?

04.11.2022

Nach den Skandalen bei RBB und NDR wurden Rufe laut, die Aufsichtsorgane besser aufzustellen. Der journalist hat sich dazu bei Mitgliedern aus Rundfunk- und Verwaltungsräten und externen Expert*innen umgehört: Was sollte man jetzt konkret ändern? Wie sieht überhaupt eine zeitgemäße Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus? Text: Kathi Preppner.

Expertenumfrage: Wie kann eine zeitgemäße Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aussehen?

In der Pressekonferenz nach seiner Wahl brachte Ralf Roggenbuck seine Ernüchterung über die Aufdeckung des RBB-Skandals zum Ausdruck: "Das meiste, was wir erfahren haben, haben wir aus der Presse erfahren, nicht aus dem Haus", sagte der frisch gewählte Vorsitzende des RBB-Rundfunkrats, den Blumenstrauß noch in der Hand. "Ich habe jeden Tag die Zeitung aufgeschlagen und mich geärgert, weil ich gedacht habe, ich wäre derjenige, der hier Dinge kontrolliert." Roggenbuck saß im Haushalts- und im Finanzausschuss des Rundfunkrats – "und da hätte ich das auch erfahren müssen", sagt der Potsdamer Staatsanwalt, der seit 2019 vom Deutschen Beamtenbund in das RBB-Gremium entsandt wird. 

Als erstes werde der Rundfunkrat der Frage nachgehen, wie er und der Verwaltungsrat sich neu aufstellen können, so Roggenbuck bei der Pressekonferenz. Er selbst wird dem Gremium nur bis Februar vorsitzen, dann wird es turnusgemäß neu gewählt. Der Rundfunkrat ist das zentrale Aufsichtsorgan der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Er wacht darüber, dass die Anstalten ihren gesetzlichen Auftrag einhalten. Er wählt und berät den Intendanten oder die Intendantin, er wählt die Mitglieder des Verwaltungsrats und genehmigt den Geschäftsbericht. Der Verwaltungsrat überwacht wiederum die Geschäftsführung der Intendanz, schließt den Dienstvertrag mit ihr ab, vertritt den Sender in Rechtsgeschäften und überprüft Wirtschaftsplan, Jahresabschluss und Geschäftsbericht, die er mit einer Stellungnahme an den Rundfunkrat weiterleitet. 

Unter Roggenbucks Leitung hat der Rundfunkrat den Länderparlamenten von Berlin und Brandenburg, die derzeit den RBB-Staatsvertrag überarbeiten, bereits Änderungsvorschläge gemacht, die "eine effektivere Kontrolle" ermöglichen sollen. Einer davon: "Insgesamt muss in den Kontrollorganen besser darauf geachtet werden, dass Entscheidungen nicht von einem Mitglied alleine getroffen werden können", so Roggenbuck. Bei der Aufarbeitung des RBB-Skandals war klar geworden, dass beispielsweise im Verwaltungsrat die Arbeit in Ressorts aufgeteilt worden war, was Einzelnen "sehr viel Freiheit" gegeben habe, wie die ebenfalls neu gewählte RBB-Verwaltungsratschefin Dorette König bei einer Sondersitzung im Hauptausschuss des Brandenburger Landtags einräumte. So konnte ihr Vorgänger Wolf-Dieter Wolf allein mit der Intendantin deren Dienstvertrag aushandeln. 

"Insgesamt muss in den Kontrollorganen besser darauf geachtet werden, dass Entscheidungen nicht von einem Mitglied alleine getroffen werden können." Ralf Roggenbuck, RBB-Rundfunkrat 

Das Ressort-Prinzip sei eingeführt worden, um den Zeitaufwand gering zu halten, erklärte König. Die Mitglieder von Rundfunk- und Verwaltungsrat arbeiten ehrenamtlich. Beim RBB bekommen sie dafür monatlich 400 Euro Aufwandsentschädigung sowie 75 Euro pro Sitzung. Es sei zu hinterfragen, ob die verlangten Aufgaben insbesondere der Vorsitzenden im Ehrenamt zu bewältigen sind, sagt Roggenbuck: "Hier ist über eine teilweise Freistellung nachzudenken, um die zeitlich intensive Tätigkeit zu ermöglichen." Katrin Kroemer vom DJV-Bundesvorstand, erste stellvertretende Vorsitzende im ZDF-Fernsehrat, fordert einen Freistellungsanspruch, wie es ihn für kommunalpolitische Arbeit gibt. "Damit könnte dann eine Anwesenheitspflicht verbunden sein", sagt sie.

Immer mehr Aufgaben

Im Laufe der Jahre haben die Rundfunkräte immer mehr Aufgaben übernommen: Seit 2009 führen sie die sogenannten Drei-Stufen-Tests durch, mit denen festgestellt wird, ob die Online-Angebote der Anstalten dem Programmauftrag entsprechen. Der neue Medienstaatsvertrag, der im Oktober von den Ministerpräsident*innen unterzeichnet wurde, sieht weitere Aufgaben für die Gremien vor: Sie sollen nun auch über "eine wirtschaftliche und sparsame Haushalts- und Wirtschaftsführung" wachen und "inhaltliche und formale Qualitätsstandards" sowie "Prozesse zu deren Überprüfung" festlegen. "Mit dem dritten Medienänderungsstaatsvertrag stärken wir die Gremienarbeit in einigen wichtigen Punkten", sagt SPD-Politikerin Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder und Mitglied im SWR-Verwaltungsrat. "Wir haben in der Rundfunkkommission auch noch mal betont, dass die Gremien für ihre Arbeit mit der erforderlichen Expertise und den erforderlichen Mitteln ausgestattet werden müssen", so Raab zum journalist.

Ein häufiger Vorschlag, um die Mitglieder von Rundfunk- und Verwaltungsrat zu unterstützen, ist die bessere personelle und finanzielle Ausstattung ihrer Geschäftsstellen. Diese Gremienbüros organisieren nicht nur Sitzungen, sie arbeiten den Ratsmitgliedern auch inhaltlich zu, beantworten Pressefragen und managen Beschwerden. Während es hierfür beim RBB gerade mal eineinhalb Stellen gibt, arbeiten im MDR-Büro vier und im Gremienbüro des großen WDR zehn Personen. Beim ZDF sind es zwölf Mitarbeiter*innen: drei Jurist*innen, ein Betriebswirt und ein Journalist sowie Sachbearbeiterinnen und Verwaltungsassistentinnen. Auch das Gremienbudget variiert. Laut ZDF-Fernsehrat Steffen Kampeter, entsandt von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), kann das Gremienbüro des ZDF Vorbild sein, "weil es besser ausgestattet und mit einer großen Unabhängigkeit von der Intendanz aufgehängt ist. Es kann in begrenztem Maße inhaltlich zuarbeiten. Damit ist es mehr als eine organisatorische Stütze, sondern kann die Gremienmitglieder bei der inhaltlichen Fortentwicklung ihrer Arbeit unterstützen."

"Es braucht gute Bildungsangebote in Sachen Compliance, zum Beispiel zentral organisiert in einer ähnlichen Einrichtung wie der ARD/ZDF-Medienakademie für den journalistischen Bereich." Frank Überall, Deutscher Journalisten-Verband  

RBB-Rundfunkrat Bernd Lammel, ebenfalls vom DJV entsandt, verweist zudem darauf, dass das Büro beim RBB in der Intendanz angesiedelt ist. Das müsse sich ändern: "Eine zeitgemäße Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzt eine tatsächliche Unabhängigkeit der Kontrollgremien von der Intendanz und der Direktion des Senders voraus." Beim RBB müssten im künftigen Rundfunkstaatsvertrag die Voraussetzungen für die Methodenkompetenz der Gremien geschärft werden: "Die Gremien brauchen mindestens eine von Intendanz und Direktion unabhängige Juristin", sagt Lammel. Generell spricht er sich aber gegen eine "Unternehmensberatungskultur" aus. Die programmbegleitenden Gremien sollten keinesfalls nur aus Wirtschaftsprüfer*innen und Jurist*innen bestehen. 

Auch unabhängig von den Gremienbüros fordern viele Beobachter*innen des Systems eine höhere fachliche Qualifikation der Räte, die eine größere Urteilskompetenz und damit mehr Unabhängigkeit mit sich bringt. Verpflichtende Vorgaben gibt es dazu nur bei Radio Bremen für einen Teil der Mitglieder. RBB-Rundfunkratschef Roggenbuck betont, dass die Räte gleich zu Beginn geschult werden sollten: "Wichtig ist die bessere Vorbereitung der Mitglieder der beiden Kontrollorgane durch Fortbildungsmaßnahmen."

Die Expertise des Verwaltungsrats sei ebenfalls wichtig, hier fordert der RBB-Rundfunkrat eine fachliche Qualifikation, die den Anforderungen der Aufgabe entspricht. Darauf werde beim BR geachtet, berichtet BR-Rundfunkrat und DJV-Bundesvorstandsmitglied Harald Stocker: "Wir achten sehr darauf, dass das Leute sind, die ein Fachwissen haben, das sich ergänzt." Bis auf zwei Mitglieder werden alle Verwaltungsräte beim BR vom Rundfunkrat gewählt, darunter zum Beispiel ein Wirtschaftsprüfer, eine Architektin, ein Wirtschaftsjurist und eine Person mit Medienwirtschafts-Expertise. 

Gute Bildungsangebote für die Gremien fordert der DJV-Vorsitzende Frank Überall auch in Sachen Compliance – "zum Beispiel zentral organisiert in einer ähnlichen Einrichtung wie der ARD/ZDF-Medienakademie für den journalistischen Bereich“. Bei der ARD-Sitzung Mitte September in Bremen haben die Justiziare der Anstalten die Aufgabe bekommen, bis zur Intendantentagung im November einheitliche Standards für Compliance-Richtlinien zu entwerfen. Als Best Pratice hatte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow den MDR genannt. Dort gibt es neben einer unabhängigen Compliance-Beauftragten ein internes Whistleblower-System und eine externe Ombudsfrau. 

Für mehr Fachkompetenz sprechen sich viele weitere Ratsmitglieder und Expert*innen aus: Martin Rabanus (SPD), Vertreter des Bundes im Hörfunkrat des Deutschlandradios: "Die Gremienmitglieder müssen sich in Zukunft (noch) besser für ihre Aufgaben mit Schulungen qualifizieren können." Eva Hubert, Vertreterin der Grünen im NDR-Landesrundfunkrat Hamburg: "Für die ehrenamtlichen Mitglieder der Rundfunkräte sollte es kontinuierliche Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote geben und das Heranziehen von externer Expertise muss (punktuell und in Einzelfällen) selbstverständlich sein."

"Über eine neue Repräsentanz des Publikums in den Gremien könnte der Einfluss von Verbänden und Parteien zurückgedrängt werden." Volker Lilienthal, Universität Hamburg 

Auch Journalistik-Professor Volker Lilienthal sagt: "In den Aufsichtsgremien braucht es mehr externen Sachverstand." Diese Expertise von außen holen sich die Rundfunkräte häufig heran, indem sie Expert*innen in ihre Sitzungen einladen. Lilienthal verweist darüber hinaus auf den Verwaltungsrat des Deutschlandradios, dem seit drei Jahren zwei unabhängige Sachverständige angehören – einer davon ist Lilienthal selbst, gewählt hat ihn der Hörfunkrat des Senders. Medienethik-Professor Christian Schicha geht noch einen Schritt weiter. Er sagt: "Eine zeitgemäße Kontrolle sollte von gut ausgebildeten Personen professionell durchgeführt werden." Seiner Meinung nach sollten die Räte professionalisiert und gegebenenfalls weniger von ehrenamtlich agierenden Akteuren besetzt werden.

Beteiligung des Publikums

Dabei beruht die ursprüngliche Idee des Rundfunkrats auf Überlegungen, das Publikum in die Rundfunkarbeit einzubinden. Dazu hatte sich der Elektrotechniker Hans Bredow, einer der Begründer des hiesigen Rundfunks, Gedanken gemacht. Er schlug vor, "einen möglichst großen Kreis der Rundfunkteilnehmer" durch Spitzenorganisationen vertreten zu lassen. Welche dazugehören, regeln heute die jeweiligen Landesrundfunkgesetze. Im RBB-Staatsvertrag ist zum Beispiel ein Mitglied der Evangelischen Kirche vorgesehen, ein Mitglied der Katholischen Kirche, ein Mitglied der Jüdischen Gemeinden, ein Mitglied der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, ... und so weiter. 

"Wenn die Gremien staatsfern sein sollen, dann dürfen keine Regierungsvertreter in den Gremien sein." Heiko Hilker, MDR-Rundfunkrat 

Diese Zusammensetzung möchten manche ändern. Die Organisation Neue deutsche Medienmacher*innen (NdM) kritisiert in ihrer Studie "Vielfalt in Rundfunkräten", dass gerade gesellschaftlich benachteiligte Gruppen kaum oder gar nicht von den Rundfunkräten repräsentiert werden. Zudem sei fast die Hälfte aller 542 Rundfunkratsmitglieder älter als 60 Jahre. Bei BR und ZDF gibt es bereits eine zeitliche Begrenzung der Amtszeit auf 15 Jahre beziehungsweise bis zu drei Amtsperioden. Eine solche Begrenzung findet Rundfunkrat Lammel auch für den RBB wichtig. Dort habe es Rundfunkräte gegeben, die seit der Gründung des Senders 2003 oder sogar schon im SFB dabei waren. "In manchen Fällen brachte dieser Umstand zu viel Routine und Nähe zur Intendanz mit sich." Auf der anderen Seite gebe es durch die Entsendung aus zwei Bundesländern eine Vielzahl von alternierenden Ratsmitgliedern, die nur eine Wahlperiode im Amt sind. "Zwischen diesen und den Langjährigen entstand ein Wissensgefälle."

Mit der generellen Zusammensetzung der Räte nach dem Prinzip des Binnenpluralismus sind die meisten der befragten Ratsmitglieder jedoch zufrieden. Jutta Pagel-Steidl, Mitglied des SWR-Rundfunkrats, sagt dazu: "Diese Vielfalt in der Zusammensetzung trägt wesentlich dazu bei, dass die unterschiedlichen Sichtweisen Gehör finden. Ich bin beispielsweise von den baden-württembergischen Behindertenorganisationen entsandt und bringe zusätzlich den Aspekt Barrierefreiheit und Inklusion ein." Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte im Ausbau eines barrierefreien Programmangebots gemacht. Eva Hubert vom NDR-Landesrundfunkrat Hamburg hält es dabei für "wichtig, dass die entsendungsberechtigten Gruppen entsprechend der Entwicklung unserer Gesellschaft laufend angepasst und erneuert werden". Beim 60-köpfigen ZDF-Fernsehrat soll die Zusammensetzung laut Staatsvertrag jeweils nach acht Jahren überprüft werden. 

Manche sprechen sich auch für eine Verkleinerung der Räte aus. Zum Beispiel Grimme-Institut-Direktorin Frauke Gerlach: "Um die Arbeitsfähigkeit zu stärken, wären deutlich kleinere Gremien wünschenswert." Der frühere RBB-Verwaltungsrat Ansgar Hocke sagt: "Die Rundfunkräte sind zu groß, und es herrscht ein zu großer Einfluss der Parteienvertreter." Ferner gebe es zu viel Vereinnahmung durch die Geschäftsleitung, nach dem Motto: Wir sitzen doch im selben Boot. Das verschütte die Pflichtaufgabe einer funktionierenden Kontrolle.

Auch andere halten die Besetzung der Räte mit Politiker*innen für problematisch. Laut NdM-Studie stellen Landtagsabgeordnete, Regierungsmitglieder und -mitarbeiter*innen sowie Kommunalvertreter*innen in allen Rundfunkräten die größte Gruppe: "Bei durchschnittlich mehr als jedem vierten Rundfunkratsmitglied (27,1 Prozent) handelt es sich um eine*n staatliche*n oder staatsnahe*n Akteur*in." Rechtlich erlaubt ist ein Drittel staatsnaher Mitglieder. MDR-Rundfunkrat Heiko Hilker, der vom DJV entsandt ist, sieht das kritisch: "Die Regierungen verhandeln die Staatsverträge für die Sender. Sie sind auch als Rechtsaufsicht tätig. Dadurch sitzen Vertreter aus der Rechtsaufsicht schon bei den Sitzungen dabei." Zudem werde natürlich häufig über Regierungsmitglieder berichtet. Hilker befindet: "Wenn die Gremien staatsfern sein sollen, dann dürfen keine Regierungsvertreter in den Gremien sein." Die Vorsitzenden von NDR-Rundfunk- und Verwaltungsrat, Karola Schneider und Sandra Goldschmidt, halten besonders das Verständnis für wichtig, "eine Kontrollfunktion im Interesse der Allgemeinheit auszuüben und sich nicht als Lobbyist der eigenen Organisation oder Institution zu verstehen".

Beim Thema Transparenz sind sich hingegen alle einig: Da geht noch mehr. NDR-Rundfunkrätin Beate Bäumer schlägt beispielsweise das Livestreaming der Sitzungen, die in der Regel ohnehin öffentlich sind, als einen "Mindesttransparenzstandard" für die Gremienarbeit vor. "Ich bin fest davon überzeugt, dass mehr Transparenz zu mehr Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führt und perspektivisch eher einen kreativen Austausch fördert", sagt Bäumer. ZDF und SWR streamen ihre Sitzungen bereits für die Öffentlichkeit. Ihre Gremien haben auch recht umfangreiche Internetauftritte. Der ZDF-Fernsehrat veröffentlicht beispielsweise Anwesenheitslisten, Beschwerdeberichte und Zusammenfassungen verschiedener Fernsehratsvorlagen. Zudem hat er einen eigenen Twitter-Kanal. 

"Die Gremien müssen für ihre Arbeit mit der erforderlichen Expertise und den erforderlichen Mitteln ausgestattet werden." Heike Raab, Rundfunkkommission der Länder 

Transparenz und Repräsentation – dafür steht auch die Idee größerer Publikumsbeteiligung. "Es ist an der Zeit, die schon vor Jahrzehnten vorgeschlagene ‚Publikumsbank‘ in den Rundfunkräten endlich zu realisieren", fordert Journalistik-Professor Lilienthal. "Über eine neue Repräsentanz des Publikums in den Gremien könnte der Einfluss von Verbänden und Parteien zurückgedrängt werden." Frauke Gerlach vom Grimme-Institut schwebt eher die Entwicklung transparenter Beteiligungsformate vor. Solche Formate könnten "die Partizipation gesellschaftlicher Gruppen sowie der Bürgerinnen und Bürger sicherstellen". MDR-Rundfunkrat Hilker stellt sich einen Publikumsrat als weiteres Gremium vor, das, durch Auslosung gewählt, aktuell und kontinuierlich über das Programm debattiert und öffentlich auf Hinweise und Kritik eingeht. ZDF-Fernsehrätin Kroemer fragt sich hingegen, ob dies nicht nur ein anderer Name für das gleiche sei: "Sind wir denn kein Publikum?", fragt sie. Kroemer verweist darauf, dass es im ZDF die Idee der vertieften Publikumsbeteiligung "über einen reinen Publikumsrat hinaus" gebe: Mit dem sogenannten ZDF Kompass und einem neuen ZDF-Panel sollen Nutzer*innen gehört und eingebunden werden. Die ARD hatte 2021 mit dem "Zukunftsdialog" ebenfalls ein groß angelegtes Beteiligungsformat aufgesetzt.

Stärkung der Rundfunkfreiheit

Auch die Mitarbeiterschaft der Sender wollen viele stärker einbeziehen. Journalistik-Professor Lilienthal schlägt vor, die Rundfunkmitarbeitenden regelmäßig zu ihren Arbeitsbedingungen anzuhören. MDR-Rundfunkrat Hilker kann sich vorstellen, dass Vertreter*innen von Personal- und Freienrat nicht nur bei jeder Gremiensitzung dabei sind, sondern stets ein Tagesordnungspunkt für ihre Berichte vorgesehen ist. Die Mitarbeiter*innen mischen sich seit den Skandalen auch so mehr ein: Die Entbindung der Juristischen Direktorin Susann Lange zeige, analysierte kürzlich der Tagesspiegel, dass die neue RBB-Interims-Intendantin nicht zuletzt unter dem Erwartungsdruck der RBB-Belegschaft stehe.

Die Stärkung der Rundfunkfreiheit ist ebenfalls vielen ein Anliegen. Der Bayerische Journalisten-Verband (BJV), dessen Rundfunk-Fachausschuss BR-Rundfunkrat Stocker vorsitzt, fordert die Aufnahme eines Redaktionsstatuts ins Rundfunkgesetz. "Zum Glück hatten sie beim NDR einen Redaktionsausschuss", sagt Stocker mit Blick auf die Skandale beim norddeutschen Sender. Der BR habe bisher keinen, doch die seit 2021 amtierende Intendantin Katja Wildermuth sei da aufgeschlossener als ihre Vorgänger. "Sie kommt vom MDR, wo es einen Redaktionsbeirat gibt", erklärt Stocker. Der stehe nicht im Gesetz, sondern beruhe auf einer internen Vereinbarung. 

Überhaupt erinnern einige der Befragten daran, dass man nicht für alle Änderungen auf den Gesetzgeber warten müsse – schließlich können sich die Gremien selbst eine Geschäftsordnung geben und Ausschüsse gründen.

Kathi Preppner ist Medienjournalistin in Berlin. 

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