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Das Finanzsystem als Wegbereiter der Transformation

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Es gibt nur einen Hebel, der dafür sorgen kann, dass alle Sektoren und Akteure unserer Volkswirtschaften für eine Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen mobilisiert werden. Dieser Hebel ist das Finanzsystem. Mit den richtigen Weichenstellungen unterstützen Finanzströme den Wandel in Richtung Klimaneutralität. Einige falsche Mythen zu Sustainable Finance müssen dafür noch aus dem Weg geräumt werden.

In diesem Beitrag:

Die Wissenschaft ist sich einig: Wir verbrauchen das 1,6-fache dessen, was die Erde Jahr für Jahr bereitstellen und wieder auffüllen kann. Um die Zukunft der Menschheit und ihrer Lebensräume zu sichern, müssen wir die Klimakrise, den dramatischen Verlust an biologischer Vielfalt und die Übernutzung wichtiger Lebenssysteme wie Ozeane, Wälder, Böden und Süßwasser stoppen und umkehren.

Um zu einer Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen zurückzukehren, müssen wir die Art und Weise, wie wir produzieren, transportieren und konsumieren ändern. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie wir den Wert von Waren und Dienstleistungen bewerten und wie wir diese Werte in unser zukünftiges Handeln einfließen lassen.

Es gibt nur einen Hebel, der wirksam dafür sorgen kann, dass alle Sektoren und Akteure unserer Volkswirtschaften angesprochen und für eine Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen mobilisiert werden. Dieser Hebel ist das Finanzsystem. Aber das Finanzsystem wurde bisher nicht genügend darauf vorbereitet oder systematisch ausgerichtet, um seinen Beitrag für eine Transformation zu leisten.

Sustainable Finance, so heißt die umfassende Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten im Finanzsystem, hat in den vergangenen Jahren zweifellos an Bedeutung gewonnen. Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei vielen Finanzentscheidungen mittlerweile eine wichtige Rolle. Doch was steckt genau hinter Sustainable Finance? Bei der Beantwortung dieser Frage stößt man derzeit häufig auf Mythen, Unklarheiten und Vorbehalte. Zwei Mythen geht dieser Beitrag auf den Grund.

Mythos 1: "Das Finanzsystem spielt bei der Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität nur eine untergeordnete Rolle."

Das Finanzsystem ist gerade in besonderer Weise gefragt. Zahlreichen Studien zufolge müssen allein in Europa jährlich bis zu 800 Milliarden Euro für die Transformation in Richtung Klimaneutralität umgelenkt werden, die sonst in noch deutlich zu emissionsintensive Investments fließen würden. Das Problem: Dem Finanzsystem fehlen schlicht die notwendigen Informationen. Genutzte Daten über Kennzahlen sind mitnichten bereits zukunftsorientiert und auf Ebene von Unternehmenszielen, Transformationspfaden und Maßnahmenprogrammen abgebildet. Sollte das Finanzsystem nicht deutlich stärker aktiv und planvoll einbezogen werden, wäre das nicht nur eine ungenutzte Chance. Es wäre vermutlich fatal für die Zielerreichung im Sinne eines "Race to Zero", also des Erreichens von Klimaneutralität bis 2050.

Die EU-Taxonomie, das Herzstück der Transformation

Die Europäische Kommission setzt bei ihrem "Green Deal" auf die Hebelkraft der Finanzströme. Eines der drei Ziele des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums heißt entsprechend "Umlenken der Kapitalströme". Dazu sollen unter anderem die Etablierung einer Nachhaltigkeitstaxonomie, eines Nachschlagewerks für nachhaltige Investitionen, sowie veränderte Berichts- und Offenlegungspflichten beitragen (siehe WWF-Blog zur EU-Taxonomie). Dahinter steht eine klare Notwendigkeit: Die Transformation der europäischen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität erfordert hohe Investitionen. Für Deutschland beziffern aktuelle Studien allein den öffentlichen Finanzbedarf für Klimainvestitionen bis 2030 auf 46 Milliarden Euro jährlich, bei einem Gesamtbedarf von 240 Milliarden pro Jahr. Gezielte Investitionen in Transformation zählt somit zu den zentralen Hebeln für die erfolgreiche Umsetzung eines Wirtschaftens in den planetaren Grenzen. Auf den Finanzmarkt kommt es an. Dazu muss er auch durch die politischen Vorgaben eingebunden werden.

Ein zweiter wesentlicher Punkt betrifft die Risikoseite. Hier geht es letztlich um die Stabilität des Finanzsystems – ein Aspekt, der häufig als Argument gegen Sustainable Finance ins Spiel gebracht wird. Vielmehr ist jedoch das Gegenteil der Fall: Bereits heute verbergen sich beispielsweise in zahlreichen Banken- und Investmentportfolios Anlagen, die gefährdet sind, Wertverluste zu erleiden oder sogar vollständig entwertet zu werden ("stranded assets"). Die WWF hat zuletzt die 15 größten deutschen Banken zum Stand der Integration der Risiken und Auswirkungen durch Klimakrise und Artensterben untersucht (siehe WWF-Bankenrating). Auch die jüngste Stresstest-Analyse der EZB stützt die Einschätzung zu teilweise substanziellem Handlungsbedarf bezogen auf das Management der physischen und Transformationsrisiken in Kreditportfolios der Banken in der Eurozone.

Ungesteuert lauern hier also Risiken, deren Höhe und vor allem systematische Auswirkungen erst ansatzweise erfasst und bewertet und damit überblickt werden. Die Gründe für diese möglichen Verluste liegen in nicht antizipierten Veränderungen, die mit der Klimakrise einerseits und regulatorischen sowie realwirtschaftlichen Anpassungen andererseits zusammenhängen. Diese Anpassungen ergeben sich „ungeplant“, wenn beispielsweise aufgrund von höchstrichterlichen Anordnungen Rahmenbedingungen verschärft werden oder die Politik angesichts von Extremwetterereignissen Ambitionsniveaus anhebt.

Leider ist dieses nachsteuernde und reagierende Vorgehen der Klimaschutzregulierung – und auch der bisherigen Finanzmarktregulierung in diesem Zusammenhang – in Deutschland und Europa eher die Norm als die Ausnahme. Es ist daher im Stabilitätsinteresse des gesamten Wirtschaftssystems, das Augenmerk viel stärker auch auf diesen Aspekt von Sustainable Finance zu richten. Das Potenzial und die Bedeutung eines nachhaltigen Finanzsystems sollten in allen Bereichen umfassender wahrgenommen und genutzt werden. Wie kann das konkret aussehen, kohärent und koordiniert gedacht? Hierzu liegt bereits eine Vielzahl von Vorschlägen vor, beispielsweise vom Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung. Wesentlich erscheinen vor allem folgende Punkte:

  • konsequente Umsetzung eines wirkungsvollen und kohärenten Sustainable-Finance-Politikrahmens, der die Anregungen aus der Wissenschaft glaubwürdig aufnimmt, beispielsweise beim Zusammenspiel von CO2-Bepreisung und Mobilisation von und für Investition- und Finanzierung für Transformationsmaßnahmen,
  • gezielte Mobilisierung und Lenkung öffentlicher und insbesondere auch privater Finanzmittel hin zu nachweislich klima- und umweltverträglichen Investitionen und
  • Beitritt der Sondervermögen und Anlagestrukturen des Bundes und der Länder zur UN Net-Zero Asset Owner Alliance beziehungsweise Übernahme und transparente Umsetzung der Zielsetzungen und Anlagestrategien.

Mythos 2: "Biodiversität und Ökosystemleistungen haben für die Finanzwirtschaft keine zentrale Bedeutung"

Im Vergleich zur Klimakrise gilt der Biodiversitätskrise derzeit noch weitaus weniger Aufmerksamkeit – sei es bei Unternehmen oder in der Öffentlichkeit insgesamt. Dabei ist auch hier Dramatisches zu beobachten: Der globale Living Planet Report des WWF zeigt, dass der Artenrückgang zwischen 1970 und 2016 bei 68 Prozent lag. Die Analysen der Wissenschaft, zum Beispiel des IPBES-Berichts 2020, bestätigen dies. In einigen Bereichen, beispielsweise bei Gewässern und Feuchtgebieten, sind die Zahlen sogar noch alarmierender. Das ist nicht nur deshalb beunruhigend, weil sich auf diese Weise unser lebendiger, artenreicher Planet unwiederbringlich verändert, sondern weil gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen in Gefahr geraten. Auch das World Economic Forum (WEF) schätzt, dass über 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung direkt oder indirekt von der Natur abhängen.

Intakte Ökosysteme sind somit für Mensch und Wirtschaft existenziell. Die Naturkatastrophen und Pandemien, die uns in den vergangenen Jahren vor enorme Herausforderungen stellten, zeigen die zunehmenden Gefahren der Biodiversitätskrise unmittelbar auf. Sie sind darüber hinaus mit großen Kosten und Risiken für das Finanz- und Wirtschaftssystem insgesamt verbunden.

Viele Unternehmen weisen in ihren Nachhaltigkeitsberichten bereits auf Projekte und Anstrengungen im Bereich Artenschutz hin. Da gibt es Initiativen für Blühwiesen und Insektenschutz, Überprüfungen der Lieferketten zum Erhalt von Regenwäldern oder den Verzicht auf potenziell gewässergefährdende Produktionsmethoden. Eine systematische Quantifizierung oder Inwertsetzung von Naturwert und -leistung und die entsprechende Berücksichtigung und Umsetzung in der Unternehmenssteuerung sei hierbei jedoch schwierig, heißt es. Auch von Seiten mancher Wissenschaftler:innen gibt es Vorbehalte: Der Wert von Natur sei nicht in wirtschaftlichen Messgrößen monetarisiert abbildbar, und solche Ansätze könnten daher kaum unterstützt werden. Natur und Finanzen, das ginge nicht zusammen, so der Mythos.

Festhalten lässt sich zunächst: Nur, was in quantifizierten, monetären Größen bezifferbar ist, wird unmittelbar einen Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen haben, denn unsere heutigen Entscheidungsprozesse sind auf monetäre Größenformulierung ausgerichtet. Im besten Fall kann ein Unternehmen anhand von validen Zahlen belegen, wo es bei Umwelt- und Artenschutz im Vergleich zu Wettbewerbern und insbesondere bezogen auf den jeweiligen lokalen Kontext eines zu erreichenden Zielzustands steht. Sind diese Aussagen in Wert gesetzt, sind sie auch fast unmittelbar kompatibel mit heutigen Entscheidungsprozessen. Auf diese Weise können sich beispielsweise Akteure in Finanzinstitutionen ein genaueres Bild machen und zum Beispiel entsprechende Anlage- und Kreditentscheidungen treffen. Ebenso sind verlässliche Informationen zum Wirkungs- und Abhängigkeitszusammenhang von Wirtschaftsaktivitäten und Biodiversität/Ökosystemen für politische Entscheidungen essenziell.

"Für die Einschätzung von Biodiversitätsaspekten kann längst nicht mehr gelten, dass es keine Regelungen, Orientierungsvorschläge oder Tools gibt."

Für den Bereich Klimaschutz haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Ansätze, Methoden und Instrumente durchgesetzt. Auf ihrer Grundlage können Treibhausgasemissionen, zukünftig aber noch viel stärker Reduktionsziele, die dazugehörigen Reduktionspfade und die Maßnahmenpakete, die die erforderlichen Technologieveränderungen auf dem Weg zur Emissionsfreiheit umsetzen und zu Nullemissionen führen, gemessen und bewertet werden. Ein Beispiel dafür ist der Emissionshandel und die ihm zugrundeliegenden wissenschaftlichen Berechnungen der festzusetzenden und kontinuierlich sinkenden Obergrenzen, die sich ergebenden erforderlichen Preisentwicklungen sowie jeweils industrie- und anlagenspezifische Monitoringprozesse. Unternehmen veröffentlichen Klimabilanzen und zukünftig noch mehr Transformationsstrategien, die auf wissenschaftsbasierten Methoden fußen müssen und die gesamte Wertschöpfungskette berechnen.

"Die Naturkatastrophen und Pandemien, die uns in den vergangenen Jahren vor enorme Herausforderungen stellten, zeigen die zunehmenden Gefahren der Biodiversitätskrise unmittelbar auf."

Auch für die Einschätzung von Biodiversitätsaspekten kann längst nicht mehr gelten, dass es keine Regelungen, Orientierungsvorschläge oder Tools gibt. Die im Sommer 2021 entstandene Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) beispielsweise, an der zahlreiche Organisationen (darunter der WWF) beteiligt sind, setzt genau hier an, orientiert am Vorbild der Taskforce on Climate-related Financial Disclosures (TFCD). Aufgabe ist es, bestehende Erkenntnisse zusammenzuführen und einen praktikablen Reporting-Rahmen für den Bereich naturbezogener Risiken und Chancen als finanzrelevante Aussagen zu schaffen.

International große Aufmerksamkeit erregte auch der 2021 veröffentlichte Dasgupta Report – The Economics of Biodiversity. Hier wurde das Thema der wirtschaftlichen Bedeutung von Biodiversität und Ökosystemen konsequent aus einer Kapitalperspektive analysiert und in Relation gesetzt. Es ist zu erwarten, dass eine Betrachtungsweise, die Ökosysteme und Artenvielfalt in die Sprache von Wirtschaft und Finanzen übersetzt, sich weiter etablieren wird. Dies kann und wird ganz sicher nicht die einzige Perspektive auf den Wert der Natur sein – sie ist jedoch zentraler Hebel, um der Biodiversitätskrise von ökonomischer Seite effektiv und unmittelbar zu begegnen.

Zu den Themen Biodiversität, Reporting und Einbindung des Finanzsystems passiert derzeit eine Menge. Es ist unabdingbar, hier zeitnah die richtigen Weichen zu stellen, um dem schon jetzt dramatischen Verlust an Artenvielfalt und der Funktionsfähigkeit unserer Ökosysteme entgegenzutreten. Ähnlich wie auch im Bereich Klimaschutz müssen sich die unterschiedlichen Akteur:innen ihrer Rolle und Verantwortung bewusst werden. Am Beginn stehen auch hier Wissen und Daten. Die Politik ist im Bereich Biodiversität – abgesehen von dezidierten Maßnahmen für Schutzgebiete etc. – zunächst gefragt, den passenden institutionalisierten wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmen zu setzen beziehungsweise weiter auszubauen:

  • Integration von Biodiversitäts-/Ökosystemaspekten bei der Anpassung aktueller Reportingrichtlinien,
  • Schließen von Daten und Informationslücken und Etablierung verbindlicher (möglichst internationaler) Standards.

Das Finanzsystem ist die große Chance

Es ist viel weniger kostspielig und weniger unsicher, die Ressourcen für eine rechtzeitige und entschlossene Transformation zu mobilisieren, als die Situation auszusitzen und sich erst später anzupassen. Teilweise ist nach Überschreiten von Kipppunkten eine Anpassung auch gar nicht mehr möglich. Die Zahlen zeigen deutlich, dass es sich im wahrsten Sinne des Wortes lohnt, um jedes Zehntel der vermiedenen Erwärmung zu kämpfen. Neben den Bewertungen des Investitionsbedarfs zur Finanzierung der Dekarbonisierung der Wirtschaft werden auch die Auswirkungen und Kosten der Verschlechterung der Ökosystemleistungen und des Verlusts der biologischen Vielfalt immer deutlicher. Die niederländische Zentralbank DNB hat im Jahr 2020 eine erste Analyse der Risiken des Biodiversitätsverlustes für die niederländischen Finanzmärkte durchgeführt. Die Bewertung kam zu dem Schluss, dass allein die Investitionen der niederländischen Finanzinstitute in Höhe von 510 Milliarden Euro in hohem oder sehr hohem Maße von einer oder mehreren Ökosystemleistungen abhängig sind.

"Die Zahlen zeigen deutlich, dass es sich im wahrsten Sinne des Wortes lohnt, um jedes Zehntel der vermiedenen Erwärmung zu kämpfen."

Anders ausgedrückt: Wenn wir die Wiederherstellung unserer Ökosysteme in den Griff bekommen und wirtschaftliche Produktionsweisen etablieren, die sich an den planetaren Grenzen orientieren, wird verhindert, dass riesige Mengen an Vermögenswerten in ihrem Wert beeinträchtigt werden oder ganz verloren gehen.

Der WWF plädiert für einen aktiven Ansatz, um das Finanzsystem strategischer in die Bewältigung der notwendigen Transformation zu einer Wirtschaft in planetaren Grenzen einzubinden. Das Finanzsystem, und in Deutschland insbesondere das Bankwesen, ist so eng mit der „realen“ Wirtschaft und damit mit den notwendigen Übergängen zur Nachhaltigkeit verbunden, dass es höchst notwendig und sogar vorteilhaft erscheint, es als einen wichtigen Wegbereiter einzubeziehen.

Alle bisher erschienenen Beiträge des WWF zum Thema „Nachhaltiges Wirtschaften“ finden Sie hier in der Übersicht.

Dieser Text ist ein bezahlter Gastbeitrag auf journalist.de. Der World Wide Fund For Nature (WWF) ist eine der größten und erfahrensten Naturschutzorganisationen der Welt und in mehr als 100 Ländern aktiv. Weltweit unterstützen ihn rund fünf Millionen Förderer. Das globale Netzwerk des WWF unterhält 90 Büros in mehr als 40 Ländern. Rund um den Globus führen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktuell 1.300 Projekte zur Bewahrung der biologischen Vielfalt durch. Mehr Informationen

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