Purpose

Sinn und Zweck

16.11.2023

Der Begriff Purpose begegnet uns überall. Gerade im Journalismus neigen wir dazu, ihn zu ignorieren, vielleicht sogar als inhaltsleeres Buzzword oder nerviges Coaching-Geschwafel abzutun. Übersetzen lässt er sich mit: Zweck, Ziel, Bestimmung. Und: Absicht, Wirkung, Aufgabe. Ein Begriff also, der alles und nichts bedeuten kann. Eine Worthülse? Nicht unbedingt. Text: Jennifer Spatz und Celine Schäfer

Purpose: Mehr als ein Buzzword für die Medienbranche?

Es wäre falsch, sich nicht mit Purpose in der Arbeitswelt auseinandersetzen – auch und vielleicht sogar besonders im Journalismus. Als Arbeitgeberin genauso wie als Arbeitnehmer, als Angestellte oder als Freelancer.

Denn viele Studien zeigen: Gerade in Zeiten globaler Multikrisen spielt Purpose eine wichtige Rolle. Aktuell wird das Wort oft als „Sinnhaftigkeit“ interpretiert. Es geht um die Frage: Welchen sinnvollen Beitrag leiste ich oder leistet mein Unternehmen für die Gesellschaft? Inwieweit ist mein Handeln, meine Arbeit nützlich?

Der journalist hat sich bei Medienschaffenden, Wissenschaftlerinnen und Strategen umgehört und nachgefragt: Welche Bedeutung hat Purpose für sie?

„Die Zielgruppe spendet Purpose“

Alexandra Borchardt ist Medienforscherin, Autorin und Journalistin. Sie ist Honorarprofessorin für Leadership und Digitalisierung an der TUM School of Management der TU München und Senior Research Associate am Reuters Institute for the Study of Journalism an der University of Oxford. 

Viele kommen in den Journalismus, weil sie die Welt besser verstehen und anderen erklären wollen. Sie betrachten es gewissermaßen als ihren Job, Geschehnisse und Zusammenhänge für ihr Pu­blikum zu übersetzen. Journalisten stärken mit der Informationsvermittlung die Demokratie. Also wenn das nicht genug Purpose ist. Die Medienwelt ist heute enorm vielfältig. Wir haben Medien zum Hören, Lesen und Sehen, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Wenn man länger dabei ist, findet man manchmal auch einen neuen Sinn in der Arbeit. So ging es mir auch. Ich habe als Nachrichtenchefin den Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung gestaltet. Irgendwann habe ich mich gefragt: Wen erreiche ich damit eigentlich und wen nicht? Beide Antworten waren schnell gefunden: Der Wirtschaftsteil richtete sich eindeutig an eine männliche Leserschaft. Ich habe mich selbst dabei ertappt, wie ich lange Zeit dachte: Ist halt so, dass wir im Journalismus nicht alle erreichen. Damit wollte ich mich aber irgendwann nicht länger zufriedengeben und habe deshalb das Frauenwirtschaftsmagazin Plan W bei der SZ im Jahr 2015 mitgegründet. Das hat meiner Arbeit neuen Sinn gestiftet. 

„Für mich bedeutet Purpose eher Ziel“

Marcel Krüger ist New Business Lead bei Funke, vorher hat er bei einem Personaldienstleister und bei Volkswagen gearbeitet. Außerdem moderiert er den Funke-Podcast Deine Lieblingsmenschen.

journalist: Herr Krüger, Purpose ist ein schwammiges Wort. Gibt es in Ihrem Arbeitsalltag überhaupt Situationen, in denen Sie sich ganz bewusst damit beschäftigen?

Marcel Krüger: Ja, definitiv. Nach jedem abgeschlossen Projekt gibt es bei uns eine „Retro“ mit unserem Kunden und ein internes „Lessons Learned“. Denn mir und meinem Team ist es wichtig, offen und transparent über Erfolg und Misserfolg zu sprechen.

Nur wer Fehler macht und sie auch zugibt, wird daraus lernen. Ich nehme mir außerdem meine Portion Auszeit, um selbstkritisch zu reflektieren, was ich hätte besser machen können in jedem Projekt und Prozess. Das Ergebnis kann dann auch sein, dass ich oder wir als Team vielleicht noch nicht so weit sind, um ein Projekt umzusetzen. Auch das ist ein Prozess der Transformation, in der wir uns befinden.

Was bedeutet Purpose denn konkret für Sie?

Für mich bedeutet Purpose weniger Zweck, sondern mehr Ziel. Und zwar meine ganz persönlichen Ziele. Warum stehe ich täglich auf und fahre ins Office? Was möchte ich am Ende der Woche erreicht und umgesetzt haben? Und wie kann ich meine Stärken bestmöglich in unsere Company einbringen? Um daraus resultierend zu helfen, das große Ziel von Funke zu erreichen: die Demokratie und eine offene und informierte Gesellschaft zu erhalten.

Der Journalismus hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert – das Digitale wird immer wichtiger, es entstehen neue Formate wie Podcasts und Newsletter. Wie beeinflusst das den Purpose-Gedanken?

Ich glaube fest daran, dass wir gestärkt aus dieser Transformation hervorgehen werden, weil selbst ein Rückgang von Print und die mehrheitliche Verlagerung ins Digitale uns mehr Chancen als Risiken einbringen. Wir werden verstärkt in neue Geschäftsfelder und Kooperationen investieren, wir werden noch gezielter in Communitys und Audiences denken. Und sicherlich auch das eine oder andere einfach sein lassen müssen.

Spielt Purpose aus Ihrer Sicht im Journalismus, verglichen mit anderen Branchen, eine besondere Rolle?

Ich kann nur über meinen eigenen Arbeitgeber Funke sprechen. Wir haben ein vielfältiges und umfangreiches Portfolio, haben uns auf die Fahnen geschrieben, aktuell, tiefgründig und serviceorientiert zu sein.

Dieses Level und damit auch den Purpose in den vergangenen sieben Jahrzehnten hochzuhalten, einem Zeitraum, in dem sich der Medienmarkt und mit ihm das Unternehmen rasant gewandelt hat, verdient meiner Meinung nach besonderen Respekt. Weil informativer, faktenbasierter, hintergründiger und unterhaltender Journalismus in Zeiten von Fake News, KI und Chat-GPT immer schwieriger wird.

„Purpose unterliegt ständigem Wandel“

Charlotte Haunhorst moderiert den Handelsblatt-Podcast Rethink Work und ist Head of Digital sowie Mitglied der Chefredaktion beim Handelsblatt. Davor war sie Chefredakteurin des SZ-Jugendmagazins jetzt.

Purpose ist ein riesiges Thema in der Gesellschaft, das merke ich auch in meinem Bekannten- und Kollegenkreis. Diskussionen um das Sinnstreben finden nicht nur in der Linkedin- und HR-Bubble statt. Und ich bin fest davon überzeugt: Wer keinen Purpose in seinem Beruf sieht, der wird früher oder später kündigen. Purpose heißt nicht immer, dass man selbst zur Rettung der Welt beiträgt oder bei einem weltverbessernden Unternehmen arbeitet und jede Tat eine großartige ist. 

Diese Erkenntnis habe ich mir selbst erst erarbeiten müssen. In einem Praktikum zu Beginn meiner Karriere musste ich einmal zum Beispiel alle Atomkraftwerke in Deutschland abtelefonieren, für eine einzige Info. Die Aufgabe fand ich natürlich super doof, aber ich wusste auch: Das muss halt erledigt werden, damit ich dann einen guten Bericht schreiben kann, der wiederum sinnstiftend für mich ist. 

Auch im Marketing und in der Werbebranche sehe ich einen Wandel. Während früher viele Agenturen noch so ziemlich jeden Kunden genommen haben, wenn er nur genug Geld auf den Tisch legt, wählen sie heute behutsamer aus. Im besten Fall sorgen Marketer also dafür, dass die eher grünen, sozialen und zukunftsorientierten Unternehmen mehr Aufmerksamkeit bekommen – auch das kann sinnstiftend sein.

Der eigene Purpose kann sich aber auch verändern. Vor ein paar Jahren hätten viele noch gesagt: „Also bei einem Rüstungskonzern könnte ich ja nicht arbeiten. Ich will nicht an Waffen mitwirken, die Menschen töten.“ Seit dem Ukrainekrieg sehen das viele anders. Rheinmetall und Co sind nun deutlich attraktiver. Die Mitarbeitenden haben neuen Sinn in ihrer Arbeit gefunden. Wir dürfen das also nicht so pauschal sehen.

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