Julia Bönisch

"Wir verändern uns aus einer Position der Stärke heraus"

20.07.2021

Ihr Weggang von der Süddeutschen Zeitung sorgte für viel Aufsehen. Seit März 2020 arbeitet Julia Bönisch für die Stiftung Warentest. Ein Gespräch über ihre Konflikte bei der SZ, den Umgang mit Zahlen im Journalismus und die Entdeckung des Verbraucherjournalismus. Interview von Catalina Schröder.

Julia Bönisch verantwortet seit einem Jahr die digitale Transformation bei Stiftung Warentest. Vorher war sie Digitalchefin der Süddeutschen Zeitung. (Foto: Bettina Theisinger)

Julia Bönisch ist seit März 2020 Bereichsleiterin Digitale Transformation und Publikationen sowie Mitglied der Geschäftsleitung von Stiftung Warentest. Zuvor war die 41-Jährige Chefredakteurin von süddeutsche.de. In einem Text, den sie für den journalist verfasste, beklagte sich Julia Bönisch unter anderem über die Führungskultur, den Umgang mit Frauen und die Zusammenarbeit zwischen Verlag und Redaktion. Der Text führte zu großen Kontroversen innerhalb des Hauses und letztlich zu ihrem Abschied von der SZ.

journalist: Frau Bönisch, in einem Text, den Sie als Chefredakteurin von süddeutsche.de im Mai 2019 für den journalist geschrieben haben, hieß es: „Für manchen Kollegen bin ich ein Affront.“ Sie haben das damit begründet, dass Sie eine Frau sind, dass Sie jung sind und dass Sie für Digitalisierung stehen. Sind Sie auch für die Kolleginnen und Kollegen bei Stiftung Warentest ein Affront?

Julia Bönisch: Nein, Gott sei Dank nicht. (lacht) Dass ich das damals war, hat man ja auch an den Reaktionen auf den Text gesehen. Das war ja fast eine Self-fulfilling Prophecy. Der Unterschied bei der Stiftung Warentest besteht für mich darin, dass sich die Stiftung ganz bewusst dafür entschieden hat, jemanden an Bord zu holen, der sich um genau diese Themen kümmert. Und das ganze Haus steht dahinter: vom Vorstand bis zu meinen Kollegen in der Geschäftsleitung und in der Chefredaktion. Es waren sich alle einig, dass sie bei diesen Themen gemeinsam vorwärts kommen wollen. Insofern ist das schon eine deutlich angenehmere Ausgangssituation.

War man sich bei der SZ nicht einig, dass man in Sachen Digitalisierung vorankommen wollte – und das in Zusammenarbeit mit einer jungen Frau in der Chefredaktion?

Da müssten Sie die Kollegen fragen, ob man das wollte oder nicht. Dieses Urteil steht mir vielleicht gar nicht zu.

"Das, was wir machen, – paid content – ist unfassbar erfolgreich.“

Sie sind bei der Stiftung Warentest Bereichsleiterin für „digitale Transformation und Publikationen“. Was bedeutet das konkret?

Das erschließt sich tatsächlich nicht auf den ersten Blick: Zum einen sind in meinem Bereich sämtliche Publikationen der Stiftung. Das heißt, die drei Chefredakteure – von Test, Finanztest und test.de – berichten an mich. Ebenso der Chef unseres Lektorats, denn wir haben ja auch noch einen eigenen Buchverlag und bringen pro Jahr etwa 40 Bücher heraus. Mit digitaler Transformation ist gemeint, dass ich mich im Grunde darum kümmere, dass wir auch in fünf, zehn oder 15 Jahren auf anderen Publikationswegen als im Gedruckten erfolgreich sein werden. Meine Aufgabe ist es, dafür die nötigen Schritte in die Wege zu leiten. Ich stoße also strukturelle Umbauten innerhalb der Organisation an. Ich zeige den Leuten Wege auf, wie wir dahin kommen und warum wir nun welche Entscheidungen treffen.

Sind Sie damit noch Journalistin, oder ist das eher eine Management-Aufgabe?

Ich finde es reizvoll an der Position, dass von allem etwas dabei ist: Ich arbeite sowohl journalistisch wie auch in Richtung Produkt. Außerdem bin ich in der Geschäftsleitung, das heißt, ich habe auch viele Management-Aufgaben. Das ist für mich ein All-inclusive-Paket.

Woher haben Sie diese Kompetenzen? Ursprünglich sind Sie ja „nur“ gelernte Journalistin.

Genau darum ging es ja damals unter anderem in meinem Text im journalist: Wenn man sich heute als Chefredakteurin auf die reinen Inhalte zurückzieht, wird man der Rolle nicht gerecht. Natürlich ist man mitverantwortlich für den geschäftlichen Erfolg. Dazu gehört dann auch, im Bereich Produkt mitzumischen – gerade im digitalen Bereich. Mir fällt kein Onlinechefredakteur ein, der nicht einen starken Impuls hat, darüber mitzubestimmen, wie sein Auftritt aussieht: mobil und auf dem Desktop. Welche neuen Wege der Inhalteverbreitung noch erschlossen werden, zum Beispiel in Form von Newslettern oder Podcasts. Insofern war mein Job als Chefredakteurin von sz.de ein guter Ausgangspunkt dafür, mir das alles anzueignen. Aber natürlich weist die Stiftung an entscheidenden Stellen Unterschiede auf zu einem klassischen Verlag, und da bringe ich mir jetzt per Learning by Doing vieles bei. Aber das ist ja immer so, wenn man in einen neuen Job hineinkommt.

Was genau macht die Stiftung Warentest denn anders als ein klassischer Verlag?

Wir haben keine Anzeigenfinanzierung. Das ist gerade in Corona-Zeiten extrem angenehm gewesen, als allen anderen Häusern hier die Einnahmen weggebrochen sind. Damit hatten wir überhaupt kein Problem. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass wir nur in Teams arbeiten, die aus Journalisten und Wissenschaftlern bestehen. .

Das Berichterstattungsfeld sind nicht gerade die klassischen Themen.

Und unser Gegenstand der Berichterstattung bringt es natürlich mit sich, dass manche Dinge anders sind: Wenn Sie eine Waschmaschine auf Herz und Nieren testen, dann braucht das seine Zeit. Ich dagegen komme aus einer Welt, in der morgens ein Thema auf dem Tisch liegt und zwei Stunden später muss der Text auf der Homepage sein. Der Aktualitätsdruck in dieser Form fehlt bei der Stiftung. Dafür gibt es hier den unbedingten Willen zur Fehlerlosigkeit und Präzision: Wenn die Stiftung Warentest Texte und Ergebnisse publiziert, dann müssen sich darauf alle verlassen können. Unsere Inhalte werden so intensiv geprüft, dass sich die Dokumentationsabteilungen aus anderen Häusern wundern würden.

Ihr Job besteht ja auch darin, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und bestehende Modelle weiterzuentwickeln. Welche Ideen wollen Sie konkret umsetzen?

Ich würde sagen: Wir brauchen kein neues Geschäftsmodell. Denn das, was wir machen, – Paid Content – ist unfassbar erfolgreich. Ich fürchte, dass die meisten Menschen gar nicht genau wissen, wie wir uns finanzieren: Wir bekommen nur noch einen Bruchteil unseres Geldes – nämlich nur knapp vier Prozent – aus öffentlichen Zuwendungen. Alles andere erwirtschaften wir fast ausschließlich mit dem Verkauf unserer Inhalte. Wir haben einen extrem großen und treuen Abonnenten-Stamm: Test hat eine verkaufte Auflage von 358.000 Exemplaren im Monat und Finanztest 203.000, hinzu kommen fast 80.000 kostenpflichtige Onlineabos und noch einmal so viele Einzelabrufe. Paid Content ist also unsere Haupteinnahmequelle.

"Wenn man sich als Chefredakteurin auf die reinen Inhalte zurückzieht, wird man der Rolle nicht gerecht."

Und das Lizenzystem?

Das kennen Sie vielleicht von Ihrem Einkauf zum Beispiel in der Drogerie: Wenn Sie dort die Zahnpasta mit einem Testsiegel von Stiftung Warentest kaufen, hat der Hersteller dafür unser Logo-Lizenzsystem genutzt. Mehr ist da nicht, und daran will ich auch überhaupt nicht rütteln. Eine Finanzierung durch zum Beispiel Affiliate Links, so wie andere Vergleichs- oder auch Newsportale sie haben, kommt für uns nicht infrage. Das gefährdet unsere Unabhängigkeit.

Was wollen Sie dann verändern?

Es geht mehr darum, für unsere extrem starke Marke neue Kanäle zu erschließen und die Inhalte auf neuen Wegen an die Nutzer*innen zu bringen.

Wie wollen Sie das konkret angehen?

Wir sind im Moment dabei, das ganze Haus umzubauen. Die Stiftung hat einen ähnlichen Weg hinter sich wie viele klassische Verlage: Online war immer ein bisschen das Stiefkind, hatte weniger Ressourcen. Auch in der Unternehmenskultur war allen klar: Print kommt vor Online. Jetzt sind wir mittendrin, das zu ändern. Das bedeutet nicht, dass wir darauf hinarbeiten, künftig immer online first zu publizieren, aber in der Planung und Produktion muss online mindestens gleichberechtigt sein und kann nicht immer am Ende nur noch so viel Zeit bekommen, wie gerade noch übrig ist. Wir haben deshalb auch die Chefredaktionen so umstrukturiert, dass die Verantwortung für Print und Online zusammengefasst wird.

Warum gelingt es der Stiftung Warentest, sich fast ausschließlich über Paid Content zu finanzieren, während klassische Verlage meist noch weit davon entfernt sind?

Ich glaube, dass wir mit unseren Inhalten etwas machen, was sonst keiner kann: Wir prüfen Waren und Dienstleistungen mit wissenschaftlichen Methoden und nach wissenschaftlichen Kriterien. Unsere Tests kosten im Durchschnitt zwischen 30.000 und 50.000 Euro – das macht sonst niemand in dieser Tiefe, Sorgfalt und Qualität.

Und dafür sind Menschen bereit zu zahlen?

In unserer Branche gibt es vielleicht Menschen, die schätzen den Verbraucherjournalismus geringer als Politikjournalismus, aber wenn man sich anschaut, wofür die Leute wirklich bereit sind, Geld auszugeben, dann sind es die Ratgeberthemen. Wir erleichtern den Menschen schwere Entscheidungen, bei denen es zum Teil um richtig viel Geld geht. Nehmen wir beispielhaft Themen aus Finanztest: Wie investiere ich Geld in meine Altersvorsorge? Wie finanziere ich eine Immobilie? Das sind Lebensentscheidungen – und in der Tiefe und Güte, in der wir diese Fragen aufbereiten, macht das sonst keiner. Wenn Sie sich hingegen anschauen, womit die großen Nachrichtenportale gerade aufmachen, kriegen Sie diese Inhalte doch überall.

Verbraucherjournalismus als Alleinstellungsmerkmal?

Dass man mit gutem Verbraucherjournalismus Menschen begeistern kann, hat sich in der Branche inzwischen auch herumgesprochen: Es ist ja kein Zufall, dass zum Beispiel Funke ein eigenes Test-Magazin gegründet hat oder Spiegel Online ein eigenes Ressort für Tests.

Welche Themen funktionieren bei der Stiftung Warentest besonders gut?

Die Dauerbrenner-Themen sind die, bei denen Verbraucherinnen viel Geld ausgeben müssen: Matratzen, Waschmaschinen, Drucker, Handys. Bei Finanztest sind es vor allen Dingen die Fonds, also ETFs. Auch wir denken in Kundengruppen und überlegen, wie wir neue Abonnenten gewinnen. Das funktioniert vor allen Dingen über Tests von teureren Waren: Wenn ich eine Investition über mehrere 100 Euro plane, dann investiere ich auch vorher gerne mal fünf Euro, um mich schlau zu machen. Bei unseren Bestandsabonnenten funktioniert darüber hinaus alles gut, was günstig und ein Mitnahmeprodukt ist: Zahnpasta, Spülmittel – hier werden Einzeldownloads kaum genutzt, weil das Produkt günstiger ist als das, was ich der Stiftung Warentest zahle. Aber für unsere Bestandskunden ist das unheimlich wichtig. Auch Lebensmitteltests spielen eine große Rolle.

"Bei uns fängt niemand an, der den nächsten Kisch-Preis gewinnen möchte.“

Wie oft werden Ihre Tests im Durchschnitt runtergeladen?

Das ist je nach Produkt unterschiedlich. Kürzlich haben wir FFP2-Masken getestet, diesen Test haben fast 300.000 Menschen gelesen. Unsere Ergebnisse haben wir ganz bewusst kostenlos zur Verfügung gestellt, obwohl uns dadurch natürlich Gewinne entgangen sind. Aber wir sind der Ansicht, dass wir bei solchen Themen auch einen gesellschaftlichen Auftrag haben.

Ist die Anzahl der Downloads für Journalisten in Ihrem Haus das, woran sie gemessen werden?

Die Stiftung ist beim Umgang mit Zahlen unheimlich weit. In vielen Redaktionen ist es noch nicht geübt, nachzuverfolgen, welche Inhalte wie gelesen werden. Wenn Sie Feuilletonisten messbar machen wollen, ist das eine schwierige Diskussion, denn am Ende kommt vielleicht heraus, dass beispielsweise die Theaterkritik aus Basel nur elfmal gelesen wurde – da stellt sich dann natürlich schnell die Frage nach der Existenzberechtigung. Bei uns in der Stiftung ist der Umgang mit Zahlen völlig problemlos. Es wird sehr strukturiert geguckt: Was kostet ein Test, wie oft wird er abgerufen und was bringt er letztlich ein? Und es nimmt auch keiner persönlich, wenn es dann heißt: Test XY hat einen anderen Test geschlagen. Die Kollegen sind da auf sehr angenehme Art und Weise nüchtern.

Gibt es den typischen Stiftung-Warentest-Leser?

Bei Test fangen die meisten an, uns mit der Familiengründung zu lesen. Niemand will das Kinderbett kaufen, das über seinem Kind zusammenbricht. Bei Finanztest geht es los mit dem ersten eigenen Gehalt – was macht man damit? Dann versuchen wir, quasi bis zur Testamentsvollstreckung das ganze Leben abzubilden. Gerade wenn es um Finanzen geht, sind ja auch die wirklich großen Fragen des Lebens betroffen: Heiraten, Ehevertrag, Patientenverfügung, Testament, Vererben, …

Gibt es Trends oder Entwicklungen im Journalismus, die Sie besonders aufmerksam verfolgen?

Ein Megatrend sind natürlich Newsletter. Wir sind dabei, uns weiterzuentwickeln und neue Formate auszutesten.

Was sind die Dinge, die Sie bei der Stiftung noch nicht so gut machen?

Dank unseres wirtschaftlichen Erfolgs sind wir in einer unheimlich komfortablen Situation, und das wissen auch die Leute bei uns im Haus. Das nimmt natürlich an der einen oder anderen Stelle den Veränderungsdruck ein bisschen heraus und führt nicht dazu, dass unbedingt jeder mit den Füßen scharrt und denkt: Jetzt möchte ich, dass alles anders wird! Aber es ist ja toll, dass wir uns aus einer Position der Stärke heraus verändern und uns die dafür nötige Zeit nehmen können und nicht – wie in vielen anderen Verlagen – irgendwelche Restrukturierungs- oder Kürzungsprogramme durchziehen müssen. In anderen Verlagen ist es dann vielleicht doch nur Angst, die dafür sorgt, dass die Leute gezwungenermaßen mitziehen und sich verändern.

Was muss denn ein Redakteur können, der bei Ihnen anfängt? Und wie unterscheidet der sich von einem Redakteur bei der SZ, der Zeit oder der taz?

Ich glaube, bei der Stiftung fängt niemand an, der den nächsten Egon-Erwin-Kisch-Preis gewinnen möchte. So sind meine Kolleginnen alle nicht motiviert, und das finde ich sehr angenehm. Ellbogen-Kultur gibt es bei uns nicht. Zu uns kommt man nicht, wenn man das eigene Ego in den Vordergrund stellen muss. Ein Herz für den Verbraucherjournalismus muss man natürlich haben. Wenn das Ziel ist: Ich möchte sonntags abends bei Anne Will sitzen, dann ist man bei uns verkehrt. Unsere Kolleginnen sind dafür bei Stern TV.

"Wenn Sie einen Feuilletonisten messbar machen wollen, stellt sich schnell die Existenzberechtigungsfrage"

Ist es schwer für Sie, Redakteure zu finden? Die wenigsten Nachwuchsjournalisten würden vermutlich sagen: Mein Traumjob ist es, zur Stiftung Warentest zu gehen! Die wollen dann doch eher den Kisch-Preis gewinnen.

Ja, ich glaube auch, dass das beim Nachwuchs so ist. Wir haben aber gerade Stellen ausgeschrieben und durften im letzten Jahr viele Kollegen einstellen. Ich konnte mich über mangelnden Andrang nicht beschweren. Gerade wenn es nicht um die Berufseinsteiger geht, wissen ganz viele Kollegen die Vorzüge der Stiftung durchaus zu schätzen: Dass wir eben nicht unter dem Druck des Anzeigenmarktes stehen, dass wir unabhängig sind. Dass es uns finanziell gut geht, dass bei uns keine Entlassungswelle droht. Und natürlich haben wir auch einfach einen guten Ruf. Ich habe eine Kollegin, die früher bei Springer war und auf Partys immer nur gesagt hat, dass sie Journalistin ist. Heute dagegen sagt sie ganz stolz: Ich bin bei der Stiftung Warentest. Es gibt wirklich viele positive Reaktionen, wenn man das erzählt.

Aber gibt es diese positiven Reaktionen auch unter Journalisten? Verbraucherjournalismus ist da ja doch oft ein bisschen verpönt.

Bei allen, die ein bisschen Berufserfahrung haben, gibt es diese positiven Reaktionen.

Im Text, den Sie für damals den journalist geschrieben haben, ging es auch um die Bedeutung von guter Führung in Redaktionen. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Ich würde meinen Führungsstil als klar beschreiben. Im Guten wie im Schlechten. Bei mir weiß man, woran man ist. Hier bei der Stiftung Warentest sind wir in einem riesigen Change-Prozess , und da geht es mir sehr darum, die Leute nicht alleine zu lassen.

Haben Sie sich Ihre Führungskompetenzen selbst beigebracht? Es gibt ja auch Chefredakteure, die sich beispielsweise zum Coach ausbilden lassen.

Nein, sowas habe ich nicht gemacht. Aber ich habe natürlich diverse Coachings genossen. Ich hoffe, dass Sie heute keinen Chefredakteur und keine Chefredakteurin mehr finden, der oder die völlig ungecoacht so viele Leute führen muss.

Es ist aber noch nicht lange her, dass Führung in Redaktionen kein großes Thema war.

Ja, das stimmt. Erstaunlich: Wir Journalisten sind doch eigentlich in Kommunikationsdingen ausgebildet und sollten dafür prädestiniert sein, anderen zu erklären, warum bestimmte Dinge nun wie laufen müssen. Daran hapert es aber wahnsinnig oft in Redaktionen. Natürlich gibt es in Change-Prozessen immer Unsicherheiten und Ängste. Es gehört dann aber auch dazu, dass Chefs damit offen umgehen, Fehler eingestehen und mit den Leuten im Gespräch bleiben. Das ist der Schritt, der so oft fehlt.

Ein Thema, das bei der SZ zu Ihrer Zeit und auch heute noch zu vielen Konflikten führt, ist die Frauen-Frage: Wer wird befördert? Wie viele Frauen sind Ressortleiterinnen oder Korrespondentinnen? Ist das bei der Stiftung Warentest auch ein Thema?

Nein. Test ist in den Händen einer Chefredakteurin. Bei Finanztest gibt es künftig zwei stellvertretende Chefredakteurinnen. Unsere Kommunikationschefin ist eine Frau. Die Leiterin Produktmanagement ist eine Frau. Bei den Ressortleitungen gibt es bei Finanztest zwei Teams: Eins wird von einem Mann, das andere von einer Frau geleitet. In den Test-Ressortleitungen haben wir zwei Männer und eine Frau, das war aber bis vor kurzem noch umgekehrt. Wir sind ein Haus, in dem in der internen Kommunikation alle gendern. Das kannte ich nicht von der SZ. Da hätte es einen Aufschrei gegeben.

Meine Wahrnehmung ist, dass die Konflikte, die es damals gab, als Sie die SZ verlassen haben, eigentlich immer noch da sind. Wie sehen Sie das?

Ja, ich nehme das auch so wahr.

Kennen Sie Judith Wittwer, die seit gut einem Jahr zusammen mit Wolfgang Krach die Chefredaktion der SZ führt?

Nein, wir haben uns noch nicht persönlich getroffen.

Würden Sie Judith Wittwer einen Rat geben wollen?

Nein! (lacht) Auf keinen Fall.

Catalina Schröder arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Hamburg.

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