Floskel des Monats

Deckel

23.11.2022

Der Countdown läuft: Bald stehen wieder milliardenschwere Deckel in den Startlöchern oder vor der Tür – und wollen abgerufen werden. Töpfe gibt es genügend, aber Deckel sind scheinbar Mangelware. 

Wackelt der flexible Deckel, der vehement, dafür ordentlich schräg auf den Druckkochtopf mit der aufgewärmten Regierungssuppe von gestern geschraubt wurde, wird nach Überfahren der eigens dafür gebildeten Brücke kreischend auf die Preisbremse getreten. Ist die Plörre hingegen zu lasch, wird sogar verschärft auf diese ominöse Bremse gedrückt. Uff! Die vielen Sprachbilder auslöffeln müssen dann die Konsument*innen. Die Last tragen wieder die Steuerzahler*innen.

Doch schon bei der sogenannten Energie-, Strom-, Wärme- oder wahlweise Gaspreisbremse möchte man fast bremsend in die Diskussion eingreifen und an frühere Bremsen – wie die seit einigen Jahren geltende Mietpreisbremse – erinnern, die ja besonders in Großstädten wie Berlin ganz fabelhaft nicht funktionieren. Aber was genau soll denn diese viel zitierte Bremse nun eigentlich bedeuten? Nur so rein technisch, um das Sprachbild, sonst müsste man keines wählen, verständlicher zu machen? Bezieht sie sich auf eine absehbare Beschleunigung oder auf die absolute Zahl des aktuellen Preises? Oder ist’s sogar ein gedeckelter Mischmasch dazwischen?

Physikalisch könnte die Bremsung bei einer Beschleunigung – also bei einer steten Preiserhöhung – auch einfach nur heißen, dass der Betrag weiterhin exorbitant hoch bleibt, allerdings nicht weiter steigt. Oder nur ein bisschen, aber nicht so stark? Schließlich wölbt sich bei genügend Druck jeder Deckel unweigerlich. Diese Bremse könnte – je nach Auslegung – aber auch bedeuten, dass der Betrag reduziert oder sogar der Anstieg zum Stillstand kommt. 

Egal ob Deckel oder Bremse: Die beiden Sprachbilder, die eigentlich wie Topf und Deckel zusammenpassen sollen, bekommen in der Logik eins auf den Deckel, werden in der Außenwahrnehmung allerdings geschickt verpackt. Niemand weiß nichts Genaueres und davon noch nicht einmal die Hälfte. Und mit der jahrelang verschlafenen Energiewende hat das auch nichts zu tun.   

Wie sich Floskeln und Phrasen im Journalismus ausbreiten, machen Sebastian Pertsch und Udo Stiehl mit der sprach- und medienkritischen Floskelwolke sichtbar. Hier stellen sie Begriffe oder Formulierungen vor, mit denen KollegInnen besonders häufig danebenliegen.

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